Abwehrkräfte in Pandemiezeiten: Chronischen Stress abbauen und Immunsystem gezielt stärken

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Stresshormon Cortisol mindert Barrierefunktion der Schleimhaut

Hormone und andere Botenstoffe, die unter Stress ausgeschüttet werden, gelangen über Nervenverbindungen und das Blutsystem in jeden Winkel des Körpers und versetzen ihn in Alarmbereitschaft. Eines dieser Stresshormone ist Cortisol, das in der Nebenniere gebildet wird. Cortisol und weitere Stressbotenstoffe können jedoch einen negativen Einfluss auf die körpereigene Abwehr von Infekten haben. So zeigten Untersuchungen, dass bei Menschen mit hohem Stresslevel in der Schleimhaut vermehrt Cortisol gebildet und damit deren Barrierefunktion gegenüber Erregern von außen herabgesetzt werde. Das könne dazu führen, dass Viren, die wie SARS-CoV-2 über die Schleimhäute der Atemwege ihren Weg in den Körper suchen, ihr Ziel leichter erreichen könnten.

Stressbelastung in Patientengesprächen gezielt abfragen

Wie groß der Einfluss psychischer Faktoren auf die Anfälligkeit gegenüber SARS-CoV-2 und anderer Viren ist, ist noch nicht bekannt. Erste Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Stressoren wie ein niedriges Einkommen oder Arbeitslosigkeit, beengte Wohnverhältnisse, Partnerlosigkeit oder ungesunde Ernährung hier eine negative Rolle spielen, aber auch nachwirkende Traumata oder lange schwelende Konflikte, erklären die Autoren. Diese Belastungen sollten daher auch im Patientengespräch erfasst und bei der Abschätzung des individuellen Krankheitsrisikos stärker berücksichtigt werden.

Ausreichender Schlaf und moderater Ausdauersport stimuliert Immunsystem

Während chronischer Stress potenziell krankmachende Effekte hat, kann akuter, kurzfristiger Stress, gefolgt von Erholungsphasen, positive Auswirkungen auf das Immunsystem haben, erklären die Autoren weiter. Ein Beispiel für gesundheitsfördernden akuten Stress sei gemäßigter Ausdauersport, wie Spazierengehen oder regelmäßiges Fahrradfahren, gerne auch in der Natur. Wobei darauf zu achten sei, dass der Puls in einem gesunden Rahmen bleibt. Denn es sei die moderate körperliche Aktivität, die aktivierend auf die angeborene Immunität wirke und damit protektiv gegen Atemwegserkrankungen. Auch bewirke Lachen eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems und habe, wie das Singen, eine Cortisol senkende Wirkung. Letzteres sei im digitalen Zeitalter, beispielsweise über eine Social-Singing-App, auch bei räumlicher Isolation möglich. Und auch wer ausreichend und regelmäßig schläft, wirkt gesundheitsschädlichem Stress entgegen und unterstützt seine antivirale Immunabwehr.

Stress-reduzierende Maßnahmen wie beispielsweise Achtsamkeitstraining können sich zusätzlich positiv auf die Widerstandskraft der Patienten auswirken, je nach Art und Schwere der psychischen Belastung können aber auch länger psychotherapeutische Behandlungen sinnvoll sein.

Originalpublikation

E. Peters et al.: Stress und Covid-19: Ein Narrativer Review über neuroendokrinimmune Mechanismen, die eine Abwehr von SARS-CoV-2 verbessern könnten. PPmP Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie 2021, online erschienen am 13.1.2021

Quelle: fzm