Erste S3-Leitlinie zum Kaiserschnitt veröffentlicht

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Die Sectio-Rate (Kaiserschnitt, Schnittentbindung, abdominelle Entbindung, Sectio caesarea) nimmt global stetig zu (1).

Ziel dieser wissenschaftlichen Handlungsempfehlung ist die Zusammenfassung des aktuellen Wissens über die Sectio. Schwerpunkte der Leitlinie sind Definition und Klassifikation, Aufklärung, Indikation, Zeitpunkt und Durchführung sowie erneute Schwangerschaft und Geburt nach einer Sectio, um in einem gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess das ideale Vorgehen im individuellen Fall festlegen zu können.

„Die evidenzbasierte Leitlinie zum Kaiserschnitt gibt allen Beteiligten die Möglichkeit, auf der Basis des aktuellen Wissens die beste Entscheidung zu fällen. Das betrifft auch die Beratung, den sichersten Zeitpunkt zur Geburt, die optimale Durchführung, den frühestmöglichen direkten Hautkontakt von Mutter und Kind. Und die Leitlinie setzt sich mit den häufigsten Gründen für einen geplanten Kaiserschnitt und möglichen Alternativen auseinander“, so Prof. Dr. med. Dr. h.c. Frank Louwen, Koordinator der Leitlinie.

Kurz- und Langzeitmorbiditäten von Mutter und Kind noch nicht vollständig erforscht

War die Sectio anfangs noch mit einer hohen Mortalität und Morbidität assoziiert, wird sie heutzutage als ein sicheres Verfahren angesehen, wenngleich über Kurz- und Langzeitmorbiditäten von Mutter und Kind bislang nur wenig bekannt ist (2). Dies führt bisweilen zu Unsicherheiten bezüglich des optimalen Geburtsmodus und der Einschätzung von Risiken, die mit einer vaginalen Geburt oder einer Sectio verbunden sind. Alle Professionen, die in die Betreuung von Schwangeren involviert sind, kennen diese Unklarheiten und profitieren von einem einheitlichen und (soweit möglich) evidenzbasierten Vorgehen, um Schwangere und ihre Angehörigen sowohl individuell als auch auf Basis eines breiten Expertenwisssens beraten und betreuen zu können.

Die Vorgabe einer spezifischen „Sectiorate“ ist nicht Bestandteil dieser Leitlinie. Dies nicht zuletzt deshalb, weil derzeit aufgrund fehlender Daten zur mütterlichen und kindlichen Morbidität keine zuverlässige Aussage über eine optimale Rate getroffen werden kann. Die von der WHO im Jahr 1985 formulierte Grenze von 10 bis 15 Prozent wurde in einem WHO-Statement im Jahr 2015 aus eben diesem Grund relativiert (2) Als gesichert darf aber die Erkenntnis gelten, dass eine Sectiorate über 15 Prozent keinen günstigen Einfluss auf die mütterliche und neonatale Morbidität und Mortalität hat und deshalb gut medizinisch begründet sein sollte (3, 4).

Definition

Es gibt zwei Sectio-Typen: Unterschieden wird zwischen primärer und sekundärer Sectio, je nach Zeitpunkt im Verhältnis zum bereits erfolgten oder noch nicht erfolgten Geburtsbeginn. Eine primäre Sectio liegt dann vor, wenn die Geburt noch nicht begonnen hat. Das heißt, es gab weder einen (vorzeitigen) Blasensprung, noch eine muttermundwirksame Wehentätigkeit.

Bei einer sekundären Sectio hat die Geburt bereits begonnen – es sind entweder muttermundwirksame Wehen oder ein (vorzeitiger) Blasensprung vorhanden. Die gewählten Unterscheidungen sind für den deutschsprachigen Raum charakteristisch. Im internationalen Kontext ist eine derartige Unterscheidung nicht zu finden.

Quellen
  1. Macfarlane A, Blondel B, Mohangoo A, Cuttini M, Nijhuis J, Novak Z, et al. Wide differences in mode of delivery within Europe: risk-stratified analyses of aggregated routine data from the Euro-Peristat study. BJOG An Int J Obstet Gynaecol [Internet]. 2016 Mar;123(4):559–68.
  2. World Health Organization Human Reproduction Programme, 10 April 2015. WHO Statement on caesarean section rates. Reprod Health Matters [Internet]. 2015 Jan 27;23(45):149–50.
  3. Ye J, Betrán AP, Guerrero Vela M, Souza JP, Zhang J. Searching for the optimal rate of medically necessary cesarean delivery. Birth [Internet]. 2014 Sep;41(3):237–44.
    Ye J, Zhang J, Mikolajczyk R, Torloni MR, Gülmezoglu AM, Betran AP. Association between rates of caesarean section and maternal and neonatal mortality in the 21st century: a worldwide population-based ecological study with longitudinal data. BJOG [Internet]. 2016 Apr;123(5):745–53.