In der Pandemie hat sich Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen verdoppelt

26.03.2023 – Eine aktuelle gemeinsame Längsschnittstudie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigt, dass sich während der Corona-Pandemie die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen deutlich verstärkt hat. Inzwischen sind demnach mehr als sechs Prozent der Minderjährigen abhängig von Computerspielen und sozialen Medien. Damit zeigen über 600.000 Jungen und Mädchen ein pathologisches Nutzungsverhalten.

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Weltweit einzigartige Untersuchung

Die repräsentative DAK-Längsschnittstudie zur Mediennutzung im Verlauf der Corona-Pandemie untersucht die Häufigkeiten pathologischer und riskanter Nutzung von Spielen, sozialen Medien und Streamingdiensten bei Kindern und Jugendlichen basierend auf den neuen ICD-11-Kriterien der WHO. Bundesweit wurden rund 1.200 Familien nach ihrem Medienverhalten befragt. Die DAK-Gesundheit führt dazu gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in mehreren Wellen Befragungen durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa durch. Dafür wird eine repräsentative Gruppe von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zehn und 17 Jahren mit je einem Elternteil zu ihrem Umgang mit digitalen Medien an bisher fünf Messzeitpunkten befragt. Nach den Befragungen im September 2019, im April 2020, im November 2020 und im Mai 2021 spiegeln die aktuellen Erkenntnisse die Ergebnisse der jüngsten Befragung im Juni 2022 wider. Die Studie, die Zusammenhänge zwischen Nutzungsmustern, Nutzungsmotiven und familiären Nutzungsregeln über den Verlauf der Pandemie hinweg untersucht, ist weltweit einmalig.

Problematische Nutzung von Gaming, Social Media oder Streaming bei Kindern und Jugendlichen

Rund 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche nutzen Gaming, Social Media oder Streaming problematisch, das heißt sie sind von einer Sucht gefährdet oder bereits betroffen. Nach der aktuellen Studie von DAK-Gesundheit und UKE Hamburg stieg die Zahl abhängiger Kinder und Jugendlicher bei Computerspielen von 2,7 Prozent im Jahr 2019 auf 6,3 Prozent im Juni 2022. Hochgerechnet haben damit rund 330.000 Jungen und Mädchen nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine krankhafte Gaming-Nutzung mit schweren sozialen Folgen. Im Bereich Social Media verdoppelte sich die Mediensucht von 3,2 auf 6,7 Prozent mit rund 350.000 Betroffenen.

Nutzungszeiten über Vor-Pandemie-Niveau

Laut Studie sind Nutzungszeiten von Computerspielen und Social Media weiter angestiegen. Nach einer starken Zunahme im ersten Corona-Lockdown im April 2020 gab es zunächst einen Rückgang. Diese positive Entwicklung setzte sich jedoch nicht fort: Im Juni 2022 lagen die Nutzungszeiten beim Gaming mit 115 Minuten an Werktagen knapp 34 Prozent höher als im September 2019 vor der Pandemie. Einen ebenso deutlichen Anstieg gab es im gleichen Zeitraum bei den sozialen Medien mit 35,5 Prozent von 121 Minuten auf 164 Minuten täglich.

Rückgang bei Streamingzeiten

Seit November 2020 untersucht die Studie auch das Streamingverhalten von Kindern und Jugendlichen. Hier zeigte sich einen Rückgang im Vergleich zum vorherigen Messzeitpunkt: Im Juni 2022 streamten die Befragten an einem durchschnittlichen Werktag 107 Minuten Videos und Serien. Die Zahlen liegen damit auf einem ähnlichen Niveau wie 2020 (104 Minuten) und deutlich niedriger als 2021 (170 Minuten). Insgesamt nutzten rund 733.000 Kinder und Jugendliche Streaming riskant, 2,4 Prozent zeigen ein pathologisches Nutzungsverhalten. Das entspricht rund 126.000 Betroffenen.

Große Schnittmengen bei problematischer Nutzung

Das Ausmaß der Gesamtproblematik wird insbesondere bei der Betrachtung der Schnittmengen deutlich: 5,1 Prozent aller Befragten zeigen eine problematische Nutzung von Gaming und Social Media, was rund 270.000 Betroffenen entspricht. 1,1 Prozent nutzt darüber hinaus auch Streaming-Angebote problematisch – 58.000 Kinder und Jugendliche wären damit von diesem riskanten Dreiklang betroffen.

Jungen häufiger von Sucht betroffen

Insgesamt sind Jungen häufiger suchtgefährdet oder bereits von einer Sucht betroffen als Mädchen – insbesondere beim Gaming. So zeigen 18,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine problematische Nutzung digitaler Spiele. Davon sind 68,4 Prozent Jungen. Bei den sozialen Medien, die 23,1 Prozent aller Befragten problematisch nutzen, ist die Verteilung mit 52,1 Prozent (Jungen) bzw. 47,9 Prozent (Mädchen) hingegen etwas ausgewogener. Im Hinblick auf die Altersstruktur zeigt sich, dass besonders ältere Jugendliche deutlich häufiger eine Abhängigkeit von digitalen Medien zeigen.

Körperliche Beschwerden durch exzessive Mediennutzung

Erstmals untersuchte die Studie auch die körperlichen Auswirkungen exzessiver Mediennutzung. Das Ergebnis: Ein Drittel der Befragten klagt nach mehrstündiger Nutzung von digitalen Geräten über Nackenschmerzen (32,1 Prozent). 23,4 Prozent haben trockene oder juckende Augen, 16,9 Prozent gaben an, Schmerzen im Unterarm oder der Hand zu haben.

Quelle: DAK-Gesundheit

Ergebnisse und Auswertung finden Sie hier.