Kassenaussagen zu Impfnebenwirkungen werden kontrovers diskutiert

28.02.2022 – Die Krankenkasse BBK ProVita hat in einem Schreiben an das Paul-Ehrlich-Institut darauf hingewiesen, dass Analysen ihrer Versichertendaten auf erheblich höhere Zahlen bei Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe gekommen seien, als im Bericht des PEI veröffentlicht wurden. Seitdem das Schreiben durchgesickert ist, werden die Aussagen der BKK ProVita nun in Fachkreisen kontrovers diskutiert.

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Im Schreiben der BKK ProVita an das PEI heißt es, Analysen ihrer Versichertendaten würden eine deutliche Untererfassung von Impfnebenwirkungen der Corona-Impfstoffe durch das PEI vermuten lassen. Die offiziellen Zahlen zu den unerwünschten Impfnebenwirkungen sollten deshalb plausibilisiert werden. Das Schreiben an das PEI können Sie hier einsehen. https://bkk-provita.de/aktuelles/presseinformation-impfnebenwirkungen-nach-corona-impfung/

Die BKK Provita erntet zum Teil heftige Kritik an ihren Schreiben. Als erstes distanzierte sich der BKK-Dachverband von der Analyse der BKK ProVita. Die dort genannten Daten würden nicht aus ihrem Hause stammen, teilte der Dachverband mit.

Der BKK ProVita wird vorgeworfen, dass sie Zahlen vergleiche, die sich nicht miteinander vergleichen lassen. Sie würden die Zahlen des PEI heranziehen, bei denen es sich um die an das PEI gemeldeten Fälle handelt, bei denen der Verdacht auf mögliche Nebenwirkungen oder Komplikationen nach einer Impfung besteht. Dabei handele es sich aber nicht um die Zahl der tatsächlich bestätigten Nebenwirkungen, die geringer sei. Das PEI sammele auch keine Impfreaktionen, die bereits aus den Zulassungsstudien bekannt und in den Beipackzetteln und Aufklärungsbögen der Impfstoffe aufgeführt seien. Bei den Daten bei der Krankenkasse handele es sich dagegen, um Meldungen der ICD-Codes mit Bezug auf Nebenwirkungen oder Komplikationen nach einer Impfung. Wenn Ärzte einen entsprechenden ICD-Code nutze, heiße diese aber nicht, dass sie einen Patienten wegen des Verdachts einer Impfnebenwirkung untersucht oder behandelt hat. Vielmehr können schon das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu gezählt werden, wenn ein Patient sich wegen bekannter Impfreaktionen wie Müdigkeit nicht fit fühlt. Die BKK Provita würde also nicht differenzieren, wie viele Fälle sich auf leichte und wie viele auf – meldepflichtige – schwerwiegende Reaktionen beziehen. Darüber hinaus werde nicht klar, ob es tatsächlich einen ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung gebe.

Der Virchow-Bund hat in einer Pressemitteilung mit dem Titel „Schwurbel-BKK gibt falschen Alarm bei Impfnebenwirkungen“ das Schreiben der BKK ProVita scharf verurteilt: „Peinliches Unwissen oder hinterlistige Täuschungsabsicht – was davon den Vorstand der BKK ProVita bewogen hat, vor angeblichen Alarmzahlen bei Impfkomplikationen zu warnen, weiß ich nicht. Die Schlussfolgerungen aus der Datenlage sind jedenfalls kompletter Unfug“. Mit diesen deutlichen Worten kritisiert Dr. Dirk Heinrich, der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte (Virchowbund), das Schreiben der Krankenkasse BKK ProVita an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Die BKK ProVita vermische dabei zwei völlig unterschiedliche Bereiche: die ärztliche Diagnose-Codierung mit ICD-Codes und die Meldung an das PEI. Der ICD-Code U12.9, der zur Dokumentation empfohlen ist, soll etwa bei „Unerwünschten Nebenwirkungen bei der Anwendung von COVID-19-Impfstoffen, nicht näher bezeichnet“ angegeben werden. „Unerwünscht“ und „nicht näher bezeichnet“ umfasse jedoch die gesamte Bandbreite der erwartbaren, milden und vorübergehenden Folgen einer Impfung, z. B. eine leichte Schwellung an der Einstichstelle oder erhöhte Temperatur durch die Immunantwort. Von einer „Gefahr für das Leben von Menschen“, wie die Kasse sich ausdrücke, könne dabei also keine Rede sein. Die ICD-Codes dienen auch vor allem dem Zweck der Abrechnung ärztlicher Leistungen. Handelt es sich dagegen um einen Verdacht auf „über das übliche Maß hinausgehende“ Nebenwirkungen, seien Ärzte verpflichtet, diese an das PEI zu melden. Das sei ein eklatanter Unterschied, den die Kasse hier unter den Tisch fallen lasse. Genauso wie man die Zahl der Verdachtsfälle nicht einfach mit der Zahl der bestätigten Nebenwirkungen gleichsetzen könne, so Heinrich. Dazu komme, dass bei der Auswertung eine ganze Reihe von ICD-Codes in einen Topf geworfen worden seien.

Die BKK ProVita hat darauf mit einer erläuternden Auswertungen zum Schreiben an das Paul-Ehrlich-Institut und als Kommentar auf die Presseveröffentlichung des Virchowbundes seine Aussagen etwas unterlegt.

Das PEI hat sich bisher noch nicht zu den Zahlen der BKK ProVita geäußert. Man habe keinen Zugang zu den Originaldaten. Allerdings habe man vor, zeitnah die offiziellen Impfquoten in einer Studie mit Daten der Krankenkassen zu verknüpfen, um mögliche Nebenwirkungen von Impfstoffen noch besser analysieren zu können.

Der BKK Dachverband hat in einem Statement dazu erklärt: „Um unnötige Verunsicherungen zu vermeiden, ist es wichtig, dass Aussagen grundsätzlich auf der Basis valider Daten gemacht werden. Dies gilt nicht nur aber insbesondere bei Themen, die so emotional geladen und sensibel sind, wie die Impfungen gegen das Coronavirus. Daher unterstützt der BKK Dachverband ausdrücklich das Vorhaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), im Rahmen einer Studie die Diagnoseangaben aus den ärztlichen Abrechnungsdaten, die den Krankenkassen vorliegen, auszuwerten und mit den Impfdaten des Digitalen Impfquoten-Monitors zu verbinden. Ziel muss sein, einen differenzierten Blick auf Impfreaktionen beziehungsweise Impfnebenwirkungen und ihre Schweregrade zu erhalten und somit die Diskussion zu versachlichen.“

Den offiziellen Bericht des PEI über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 finden Sie hier.