Krafttraining aktiviert zelluläre Müllentsorgung

26.08.2024 - In unserem Körper ist die Entsorgung beschädigter Zellbestandteile unerlässlich für die Aufrechterhaltung von Geweben und Organen. Ein internationales Forschungsteam unter der Federführung der Universität Bonn hat nun wesentliche Einblicke in die Regulation eines beteiligten Entsorgungssystems erzielt. Demnach wird dieses durch Krafttraining aktiviert. Die Befunde könnten die Grundlage für neue Therapien gegen Herzversagen und Nervenerkrankungen bilden.

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Muskeln und Nerven sind langlebige Hochleistungsorgane, deren zelluläre Bestandteile einem ständigen Verschleiß unterliegen. Bei der Entsorgung beschädigter Bestandteile spielt das Protein BAG3 eine entscheidende Rolle. Es erkennt beschädigte Komponenten und sorgt dafür, dass diese von zellulären Membranen umschlossen werden: Ein sogenanntes Autophagosom entsteht. In diesem „Müllbeutel“ wird der zelluläre Abfall gesammelt und schließlich für ein Recycling zerkleinert. Das Forschungsteam um Prof. Dr. Jörg Höhfeld vom Institut für Zellbiologie der Universität Bonn hat nun gezeigt, dass BAG3 in der Muskulatur durch Krafttraining aktiviert wird. Für die zelluläre Müllabfuhr ist dies wichtig, denn: Erst aktiviertes BAG3 bindet beschädigte Zellbestandteile effizient und treibt die Membranumhüllung voran. Ein aktives Entsorgungssystem wiederum ist unverzichtbar, um die Muskulatur langfristig zu erhalten. „Eine Beeinträchtigung des BAG3-Systems führt in der Tat zu rasch fortschreitenden Muskelschwächen bei Kindern und zum Herzversagen, eine der häufigsten Todesursachen in westlichen Industrienationen“, erklärt Prof. Höhfeld.

Wichtige Erkenntnisse für Training und Rehabilitation

Sportphysiologen der Deutschen Sporthochschule Köln und der Universität Hildesheim waren maßgeblich an der Studie beteiligt. Der Hildesheimer Professor Sebastian Gehlert betont die Bedeutung der Befunde: „Wir wissen nun, welche Trainingsintensität für eine Aktivierung des BAG3-Systems nötig ist. Das hilft uns, Trainingsprogramme für Spitzensportler zu optimieren und den Muskelaufbau bei Patienten im Zuge der Rehabilitation zu verbessern.“ Gehlert nutzt diese Erkenntnisse auch bei der Betreuung von Mitgliedern des deutschen Olympiateams.

Nicht nur in Muskeln notwendig

Aber das BAG3-System ist nicht nur in der Muskulatur aktiv. Mutationen in BAG3 können auch zu einer Nervenerkrankung führen, die nach ihren Entdeckern als Charcot-Marie-Tooth-Syndrom bezeichnet wird. Dabei kommt es zu einem Absterben von Nervenfasern in Armen und Beinen. Betroffene können in der Folge Hände und Füße nicht mehr bewegen. Anhand von Zellen, die von Erkrankten stammen, zeigt das Forschungsteam nun, dass es bei bestimmten Formen des Syndroms zu einer fehlerhaften Regulation des BAG3-Entsorgungssystems kommt. Die Befunde belegen somit die weitreichende Bedeutung des Systems für die Gewebeerhaltung.

Unerwartete Regulation weist Weg für Therapien

Eine Überraschung erlebten die Forschenden, als sie die Aktvierung von BAG3 genauer untersuchten. „Viele Proteine werden in der Zelle durch die Anheftung von Phosphatgruppen, die sogenannte Phosphorylierung, aktiviert. Bei BAG3 ist der Vorgang jedoch umgekehrt“, so Jörg Höhfeld. „In der ruhenden Muskulatur ist BAG3 phosphoryliert und die Phosphatgruppen werden bei der Aktivierung entfernt.“ Damit rücken die Phosphatasen – Enzyme, die die Phosphatgruppen entfernen – in den Mittelpunkt des Interesses. Bei der Identifizierung der Phosphatasen, die BAG3 aktivieren, kooperiert Höhfeld mit der Chemikerin und Zellbiologin Prof. Maja Köhn von der Universität Freiburg. „Die Identifizierung der beteiligten Phosphatasen ist ein wichtiger Schritt“, erläutert Köhn. „Es erlaubt uns dann Wirkstoffe zu entwickeln, die auf die Aktivierung von BAG3 im Körper Einfluss nehmen könnten.“ Damit böten sich gegebenenfalls neue Möglichkeiten zur Behandlung von Muskelschwächen, Herzversagen und Nervenerkrankungen.

Originalpublikation

Ottensmeyer J et al.: Force-induced dephosphorylation activates the cochaperone BAG3 to coordinate protein homeostasis and membrane traffic. Current Biology 2024, August 23. DOI: 10.1016/j.cub.2024.07.088; https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.07.088

Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn