Meditation: Gewahrsein ohne Ich-Gefühl

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Bei der Meditation kann der Zustand des sogenannten reinen Bewusstseins erlebt werden, in dem das Bewusstsein als solches wahrgenommen wird. Dieser Zustand kann unterschiedlich erlebt werden, aber es gibt offenbar Empfindungen, die spezifisch für ihn sind, und auch Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken, die als solche unspezifisch sind und lediglich begleitend auftreten können. Das sind nur einige der Ergebnisse der bisher umfangreichsten Befragung von Meditierenden zum Erleben des reinen Bewusstseins, die bisher vorgenommen wurde und deren Ergebnisse nun veröffentlicht wurden. Für die Studie hatten Prof. Dr. Thomas Metzinger vom Philosophischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und Dr. Alex Gamma von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich einen Online-Fragebogen mit mehr als hundert Fragen entworfen und ihn von tausenden Meditierenden weltweit beantworten lassen. Forschungsziel war nicht nur, mehr über Meditation, sondern auch mehr über das menschliche Bewusstsein zu erfahren. Die Arbeitshypothese der Forscher war, dass das reine Bewusstsein die einfachste Form des bewussten Erlebens ist. Und das Ziel war, von dieser Hypothese ausgehend ein Minimalmodell des menschlichen Bewusstseins zu entwickeln.

Der Online-Fragebogen ist in den fünf Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch abgefasst und wurde im vergangenen Jahr von rund 3600 Meditierenden ausgefüllt. Neben Fragen nach Informationen zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst, etwa zu Geschlecht, Alter und den angewandten Meditationstechniken, enthielt das Formular 92 Fragen zum Erleben von reinem Bewusstsein oder „reinem Gewahrsein“, wie es auch genannt wird. Diese Fragen lauteten zum Beispiel „Hatten Sie Temperaturempfindungen?“, „War Ihre Stimmung positiv?“ oder „Hatten Sie Gedanken?“

Sie konnten jeweils mit einer Art virtuellem Schieberegler von „nein“ bis „ja, sehr stark“ beantwortet werden. 1.400 der Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt, sodass die Wissenschaftler*innen sie für eine sogenannte Faktoranalyse verwenden konnten. Mit dieser Art der statistischen Auswertung suchten sie nach Gruppen von Fragen, die häufig ähnlich beantwortet wurden. Im Ergebnis fanden die Forscher*innen zwölf Gruppen, wodurch sie wiederum zwölf Faktoren benennen konnten, mit denen sich das reine Bewusstsein beschreiben lässt.

Typisch für das reine Bewusstsein scheint demnach beispielsweise ein Empfinden von Stille, Klarheit und eines wachen Gewahrseins ohne Ich-Gefühl zu sein. Eher unspezifisch sei das Erleben von Zeit, Anstrengung oder Verlangen, das durchaus begleitend auftreten könne.

Originalpublikation

A. Gamma, T. Metzinger, The Minimal Phenomenal Experience questionnaire (MPE-92M): Towards a phenomenological profile of „pure awareness“ experiences in meditators, PLOS ONE, 14. Juli 2021, DOI: 10.1371/journal.pone.0253694

Quelle: idw-online.de