Nach Covid-19: Chronische Erschöpfung und kognitive Einschränkungen

27.09.2022 – Nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 leiden deutlich mehr Menschen an einem chronischen Erschöpfungssyndrom als Menschen, die nicht mit dem Virus in Kontakt waren. Auch kognitive Defizite wie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen treten nach einer Infektion häufiger auf.

Frau, die erschöpft auf dem Sofa sitzt
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Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, haben in einer aktuellen Untersuchung gezeigt, dass überwiegend junge Frauen von einem Erschöpfungssyndrom betroffen sind. Geistige Beeinträchtigungen wurden eher bei Männern ab 55 Jahren beobachtet, wie die Forschenden berichten. Den Erkenntnissen liegen umfangreiche Daten der COVIDOM-Studie zugrunde, einer Erhebung im Rahmen des Nationalen Pandemie Kohorten Netzwerks (NAPKON).

Das postinfektiöse chronische Erschöpfungssyndrom, auch bekannt als Fatigue-Syndrom, zeigt sich durch eine langfristige und stark ausgeprägte körperliche Schwäche, die sich selbst durch Schlaf und Ruhepausen nicht bessert. Häufig tritt eine Verschlechterung auch nach geringfügigen Belastungen auf. Die chronische Erschöpfung gilt als Hauptgrund für eine verminderte Lebensqualität nach COVID-19. Geeignete Therapieoptionen fehlen. Bislang gab es keine zuverlässigen Zahlen für die Häufigkeit von Spät- und Langzeitfolgen wie dieser nach COVID-19. Auch schwanken die Angaben über die Verbreitung von Fatigue in der Bevölkerung in anderen Zusammenhängen. Die Untersuchung liefert nun auf Basis breiter Bevölkerungsstudien belastbare Daten, die nach Ansicht der Forschenden von gesellschaftlicher Bedeutung sind.

Das Forschungsteam hat für die aktuelle Untersuchung Daten von rund 1000 Patientinnen und Patienten ausgewertet, deren SARS-CoV-2-Infektion mindestens sechs Monate zurücklag. Die Vergleichsgruppe ohne vorangegangene Infektion bildeten rund 1000 Menschen, deren Daten für eine Bevölkerungsstudie der Universität Leipzig vor der Pandemie zusammengetragen worden waren. Rund 19 Prozent der zuvor SARS-CoV-2-Infizierten wiesen demnach relevante Symptome für ein chronisches Erschöpfungssyndrom auf, im Gegensatz zu nur acht Prozent in der Vergleichsgruppe. Chronische Erschöpfung kommt damit auch Monate nach einer Infektion mit dem Coronavirus mehr als doppelt so häufig vor wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung. Insbesondere trifft sie jüngere Frauen zwischen 18 und 24 Jahren infolge einer Infektion. Neurologische Beschwerden während der akuten COVID-19-Erkrankung konnten als Risikofaktoren für das spätere Auftreten von Fatigue identifiziert werden.

Kognitive Einschränkungen wie Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen sind laut der Studie eine weitere häufige Folge einer Coronavirus-Infektion: Sie zeigten sich bei 27 Prozent der Untersuchten. Symptome dieser Art traten vor allem bei älteren Männern auf. Nur wenige von ihnen beklagten jedoch gleichzeitig Symptome einer chronischen Erschöpfung, während bei Patientinnen und Patienten zwischen 25 und 54 Jahren etwa die Hälfte an Fatigue und kognitiven Einschränkungen litt. Das Forschungsteam schließt daraus, dass voneinander unabhängige Faktoren zum Auftreten dieser beiden verbreiteten Folgen führen. Welche der unterschiedlichen Lang- und Spätfolgen sich nach COVID-19 zeigen, ist sehr wahrscheinlich auf unterschiedliche Entstehungsmechanismen zurückzuführen.

Für die Wissenschaftler*innen ist nun interessant, ob die kognitiven Defizite dauerhaft bestehen bleiben, oder ob sie sich zurückbilden. Auch ist die Frage offen, ob durch eine SARS-CoV-2-Infektion Demenzen bei Älteren früher auftreten. Die aktuellen Daten würden erste Hinweise darauf liefern, dass das chronische Erschöpfungssyndrom weniger stark ausgeprägt ist, je länger die Erkrankung zurückliegt. Daher widmen sich die Forschenden derzeit insbesondere dem Verlauf dieser Beschwerden.

Originalpublikation

Hartung TJ, Neumann C, Bahmer T et al, Fatigue and cognitive impairment after COVID-19: A prospective multicentre study. eClinicalMedicine 2022; 53: 101651. https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2022.101651