Neue Ernährungsempfehlungen bei Diabetes mellitus Typ 2

17.01.2022 – Wer adipös ist, noch nicht sehr lange an Diabetes leidet und 15 Kilogramm seines Gewichts reduziert, kann seinen Zuckerstoffwechsel stark normalisieren und sogar zeitweise ohne Medikamente auskommen. Das ist eine zentrale Aussage in den aktualisierten Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zur Ernährung von Personen mit Typ-2-Diabetes. Außerdem empfehlen die Experten eine individuell auf die Vorlieben der Patient*innen abgestimmte Diät.

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Der Ausschuss Ernährung der DDG hat für die Überarbeitung der Praxisempfehlungen sämtliche relevanten Studien seit 2004 ausgewertet. Mit dem Ergebnis, dass genaue Verzehrvorgaben für einzelne Mikronährstoffe wie Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß entfallen; auch die Maßgabe, bei eingeschränkter Nierenfunktion weniger Eiweiß zu essen, ist überholt. Die Empfehlungen zur Gewichtsreduktion und Ernährungsweise bei Diabetes Typ 2 sind damit insgesamt unkomplizierter und individueller.

Entscheidend ist ein früher Start des Abnehmprogramms

Im Mittelpunkt der neuen Empfehlungen steht die Erkenntnis, wonach bei Adipösen durch eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 Kilogramm grundsätzlich ein vollständiges Zurückdrängen des Diabetes möglich ist, eine sogenannte Remission. Die DiRECT-Studie aus England zeige, dass 86 Prozent der Personen, die tatsächlich eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 Kilogramm erreicht hatten, eine Diabetesremission erfuhren. Voraussetzung war eine Diabetesdauer von nicht länger als sechs Jahren.

Um dieses Ziel zu erreichen, können Abnehmwillige prinzipiell unter verschiedenen Methoden wählen. Strenge Vorgaben für die Mengenaufnahmen von Fett, Kohlenhydraten und Eiweiß seien überholt – stattdessen können Betroffene gesunde Ernährungsmuster wählen, die ihren Vorlieben entsprechen. Empfehlenswert zur Gewichtsabnahme sind Formula-Diäten, Low-Carb- und Low-Fat-Ernährung sowie Intervallfasten.
In der Literatur fänden sich sehr gute Effekte beispielsweise für Low-Carb, eine kohlenhydratarme Ernährungsform, so die DDG-Experten. Low-Fat-Diäten seien zumindest mittelfristig in der Wirkung ebenbürtig. Soll keine bestimmte Diät eingesetzt werden, so seien für das Diabetesmanagement mediterrane, vegetarische oder vegane Ernährungsmuster gleichermaßen geeignet. Auch Intervallfasten könne unter ärztlicher Überwachung zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden. Entscheidend sei, dass die Abnehmstrategie zu den Präferenzen der übergewichtigen Person passt und nachhaltig im Alltag umgesetzt werden kann.
Zu raschen, hohen Gewichtsverlusten mit dem Resultat einer Diabetesremission führen nachweislich auch Formula-Diäten, die mit einem Mahlzeitenersatz arbeiten, meist in Pulverform. Eine große Studie belegt: Nahezu die Hälfte der übergewichtigen Diabetespatientinnen und -patienten, die zunächst über drei bis fünf Monate eine Formula-Diät mit einem Kaloriengehalt von 825 bis 852 kcal pro Tag einhielten, erzielte eine Remission. Die Remission dauerte teilweise länger als zwei Jahre. Ist keine Ernährungsform wirksam, sind bariatrische Operationen ebenfalls sehr erfolgreich, um eine Diabetesremission herbeizuführen.

Schnelles Spazierengehen nach dem Essen hilft

Über das nordische Ernährungsmuster, die makrobiotische Ernährung, die DASH- und Paleo-Diät konnten die Experten keine Aussagen treffen. Zu diesen relativ neuen Ernährungstrends lägen noch zu wenige Studien vor. Sicher dagegen sei: Regelmäßige körperliche Aktivität auch mit geringer Intensität – etwa zügigeres Gehen nach den Mahlzeiten – verbessert die Körpergewichtsregulation. Schnelles Spazierengehen nach dem Essen helfe definitiv beim Abnehmen.

Generell gelte: Wer unverarbeitete, naturbelassene Lebensmittel zu sich nimmt, liegt richtig. Darüber hinaus sollten Kohlenhydrate bevorzugt in Form von Vollkornprodukten, stärkearmen Gemüsesorten, Hülsenfrüchten und Nüssen verzehrt werden. Hafer enthält besonders gesunde Kohlenhydrate, die günstig auf den Blutzuckerspiegel wirken. Süssstoff in üblichen Mengen ist unbedenklich, zuckerarmes Obst besonders im Hinblick auf den Ballaststoffgehalt empfehlenswert und mäßiger Alkoholkonsum mit einer guten Stoffwechseleinstellung vereinbar.

Ernährungstherapie auch per App auf Rezept einsetzbar

Insgesamt, rät das Expertengremium, müsse die Ernährungstherapie stark auf die jeweilige Person abgestellt werden. Es böte sich an, die individualisierte Ernährungsberatung intensiver zu nutzen – ob in der Sprechstunde, per Mail oder Telefonie.. Auch eine App, die von fachkundigen Experten geprüft wurde und auf Rezept erhältlich ist, könne hilfreich sein

Die Praxisempfehlungen richten sich an alle Berufsgruppen, die Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ 2 betreuen.

Quelle: DDG

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Originalpublikation

Skurk T et al. Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit Typ-2-Diabetes mellitus. Diabetologie und Stoffwechsel 2021; 16 (Suppl 2): S255–S289