Polyphenole des Grüntees fördern oxidativen Stress

22.11.2021 - Grüntee gilt aufgrund des hohen Gehalts an Antioxidantien als gesund und lebensverlängernd. Forschende der ETH Zürich zeigen nun auf, dass diese Inhaltsstoffe anders wirken als bisher angenommen.

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Grüner Tee ist seit langem als gesundheitsfördernd bekannt. Insbesondere den darin enthaltenen Katechine namens ECG und EGCG wird eine lebensverlängernde Wirkung zugesprochen. Die beiden Substanzen gehören in die Gruppe der Polyphenole. Sie werden als Antioxidanzien betrachtet, die im Körper oxidativem Stress durch aggressive Sauerstoffradikale entgegenwirken respektive vorbeugen.

Bislang ging die Forschung davon aus, dass die Katechine die Sauerstoffradikale neutralisieren und damit Schäden an Zellen (oder der DNA) verhindern. Sauerstoffradikale entstehen unter anderem im Stoffwechsel, etwa bei der Energieproduktion in den Kraftwerken der Zellen, den Mitochondrien.

ETH-Forschende haben zusammen mit Kolleg*innen der Universität Jena nun den Wirkmechanismus der Katechine im Fadenwurm C. elegans genauer unter die Lupe genommen. Und sie kommen zu einem anderen, paradox erscheinenden Ergebnis: Die Katechine aus dem Grüntee unterdrücken oxidativen Stress nicht, sondern sie fördern ihn.

Kurzfristig höherer oxidativer Stress

In einer Studie zeigen sie, dass diese Polyphenole aus dem Grüntee oxidativen Stress zuerst kurzfristig erhöhen, was nachfolgend die Abwehrfähigkeit der Zellen und des Organismus’ steigert. Dadurch verhelfen die Katechine aus dem Grüntee den damit gefütterten Fadenwürmern zu einem längeren Leben und grösserer Fitness.

Grüntee-Polyphenole respektive Katechine sind also nicht Antioxidanzien, sondern vielmehr Pro-Oxidanzien, die ähnlich wie eine Impfung die Abwehrfähigkeit des Organismus verbessern, erklären die Wissenschaftler*innen.

Diese Steigerung der Abwehrfähigkeit geschieht allerdings nicht durch das Immunsystem, sondern durch die Aktivierung von Genen, welche bestimmte Enzyme wie die Superoxid-Dismutase (SOD) und die Catalase (CTL) hervorbringen. Diese Enzyme inaktivieren in den Fadenwürmern die freien Sauerstoffradikale, sind also quasi körpereigene Antioxidazien.

Die Erkenntnisse aus dieser Studie lassen sich laut der Forschenden gut auf den Menschen übertragen. Die grundlegenden biochemischen Prozesse, mit denen Organismen Sauerstoffradikale neutralisieren, sind in der Entwicklungsgeschichte konserviert und von der einzelligen Hefe bis zum Menschen vorhanden.

Grüner Tee ja, Konzentrate nein

Die Forscher*innen empfehlen denn auch, täglich grünen Tee zu trinken. Hingegen raten sie davon ab, Grüntee-Extrakte oder -Konzentrate zu sich zu nehmen. Ab einer gewissen Konzentration würde es toxisch. Hochdosierte Katechine hemmen die Mitchondrien so stark, dass dies zum Zelltod führe, was insbesondere in der Leber gefährlich werden könne. Wer diese Polyphenole in zu hohen Dosen zu sich nehme, riskiere Schäden an Organen.

Am meisten Katechine enthalten japanische Grünteesorten. Aber auch andere grüne Tees beinhalten ausreichende Mengen dieser Polyphenole. Im Schwarztee hingegen ist der Katechingehalt viel geringer als im Grüntee. Die Fermentation zerstört diese Substanzen weitgehend. Daher sei Grüntee dem Schwarztee vorzuziehen.

Originalpublikation

Tian J, Geiss C, Zarse K, Madreiter-Sokolowski CT, Ristow M. Green tea catechins EGCG and ECG enhance the fitness and lifespan of Caenorhabditis elegans by complex I inhibition. Aging (Albany NY). 2021 Oct 4;13. doi: 10.18632/aging.203597