Über die unbegründeten Forderungen nach dem Verbot der Heilpraktiker – Kommentar von Karl F. Liebau

Seit über zwei Jahren werden die Angriffe auf den Berufsstand der Heilpraktiker immer häufiger und heftiger. Karl F. Liebau ist der Meinung: Es ist Zeit, nicht nur abwehrend mit Zurückweisungen gegen die Vorwürfe zu reagieren, sondern einmal die Hintergründe – oder besser gesagt – die Abgründe zu beleuchten. Lesen Sie seinen Kommentar.

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Anlass vor über zwei Jahren waren drei tragische Todesfälle, für die sich ein Heilpraktiker aus Brüggen-Bracht vor Gericht verantworten muss. Ohne in ein laufendes Verfahren einzugreifen, mag es sich um einen strafbaren Einzelfall handeln, der nach Recht und Gesetz abgehandelt werden muss und wird. Deshalb aber in Vorwegnahme eines Urteils von allen möglichen Seiten über einen ganzen Berufsstand herzufallen und offensichtlich jede „passende“ Gelegenheit zu nutzen, sich einer ungeliebten – aber bei Patienten hoch respektierten – Konkurrenz zu entledigen, ist eigentlich ein bisschen ärmlich. Vor allem, weil immer wieder dieser strafbare Einzelfall herhalten muss.

Man vergisst dabei, dass man in dieser Zeit selbst zweimal die Jahresstatistiken über die Medizintoten in unserem Lande veröffentlichen musste: Die in die Tausende gehenden ärztlichen Kunstfehler und die Zigtausend jährlichen Medizintoten, die aufwendig und kunstvoll operiert wurden, dann aber an Krankenhauskeimen dahinsiechen und die Kliniken nur noch durch den Hinterausgang verlassen. Hat schon einmal einer danach verlangt, die Verantwortlichen dafür mit einem Berufsverbot zu belegen und in die Wüste zu schicken?

Allerdings: Absicht dieses Kommentars soll es eigentlich nicht sein, wie es einige Gegenkommentare bisher verständlicherweise taten, eine Abwehrschlacht zu vertiefen – oder Gegenschuldzuweisungen ins Feld zu führen –, sondern der Sache einmal ein wenig auf den Grund zu gehen und der Frage nachzuspüren, woher es eigentlich kommt, dass im Bereich der menschlichen Heilkunde mit so harten Bandagen gekämpft und auf Argumente von anderen so gar nicht mehr sachlich eingegangen wird, sondern der Blick ganz auf die Vernichtung des Andern gerichtet ist?

Man würde denken, dass hinter einem Heilberuf über das Können hinaus auch noch eine ethisch-moralische Grundhaltung verankert sein sollte, die ein unreflektiertes und unbedingtes Herrschaftsstreben einer über den anderen nicht so ohne weiteres zulassen würde.

Wie konnte sich so etwas entwickeln?

Die Angriffe kommen aus dem Bereich der sog. Wissenschaftlichen Medizin, die alles andere als die eigene medizinische Vorgehensweise mit dem Argument der Unwissenschaftlichkeit bekämpft. Diese wissenschaftliche Medizin basiert – wie alle Medizinen seit tausenden von Jahren – auf einem Denkmodell, das allerdings erst Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde – der Zellularpathologie, die davon ausging, dass es keine „Allgemeinkrankheiten“ gäbe, sondern lediglich lokale Erkrankungen und Zellenkrankheiten.

Damit stand dieses Denkmodell absolut konträr zum bis dahin – seit über 2000 Jahren – in Europa verfolgten Krankheitsmodell der Humoralpathologie, in deren Schau des Menschen in Krankheit und Gesundheit es durchaus Allgemeinkrankheiten gab, deren unterschiedliche Ausprägungen im Verlauf einer Krankheit von der Begegnung einer krankmachenden Ursache mit einer Person auch von deren unterschiedlichen „konstitutionellen“ Gegebenheiten abhängt.

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Letztere sah man als Ergebnis unterschiedlichen Fließens von Lebenssäften mit im Ergebnis unterschiedlichen organischen und funktionellen Stärken und Schwächen einer Person, die bei einer Begegnung mit einer Krankheit zu unterschiedlichen Reaktionsbereitschaften in der Empfänglichkeit und Überwindung der Krankheit führte. D.h. bei der Behandlung von kranken Menschen wird das Augenmerk auch auf die spezifische Konstitution der Persönlichkeit gelegt, von deren grundsätzlicher Konstitutionsstärkung man sich eine Begünstigung der in ihr wirkenden Selbstheilungskräfte verspricht, was sich durch eine hohe Praxistauglichkeit bestätigte und auch heute noch bestätigt.

Diese naturheilkundliche Vorgehensweise hat sich in der Jahrhunderte währenden Empirie ganz normal weiterentwickelt – nach dem bewährten empirischen Ausleseprinzip „Erfolgreiches beibehalten – nicht Erfolgreiches ausmustern“. Aber allein schon die Empirie – mag sie auch tausende Jahre alt sein – steht bei der wissenschaftlichen Medizin in ganz schlechtem Ansehen und hat praktisch keinen Stellenwert.

Als man nun vor nicht einmal 200 Jahren der Humoralpathologie mit der Gesamtschau eines kranken Menschen den Rücken kehrte und der lokalistischen Krankheitsschau – den lokalen und zellulären Krankheitsursachen – zuwandte, führte das konsequenterweise zu einer stürmischen Erforschung und Entdeckung von medizinischen Details, denen wir heute schließlich die bewundernswerten Spitzenleistungen in der lebensrettenden Akutmedizin und den operativen Eingriffen im Bereich von Organreparatur und Organersatz verdanken.

Dieser Bereich ist auf der ganzen Welt als Spitzenleistung der wissenschaftlichen Medizin unumstritten und anerkannt und jedes Land, selbst die „unterentwickelten“, die sich ansonsten noch z.T. ihrer traditionellen Volksmedizinen bedienen, greifen heute, wenn es ernst wird, auf diese Sparte der wissenschaftlichen Medizin zurück, auch wenn die traditionellen Volks- und Naturmedizinen heute als „immaterielles Kulturgut“ von der UNESCO eingestuft und anerkannt werden.

Auch letztere Tatsache scheint die ärztlichen Funktionäre und Vertreter der wissenschaftlichen Medizin in Deutschland nicht davon abzuhalten, immer wieder nach dem Verbot oder massiver Einschränkung der Tätigkeit der Heilpraktiker zu rufen, die nichts anderes tun, als sich zum Ausgleich für gesundheitliches Ungleichgewicht ihrer Patienten der bewährten Prinzipien der traditionellen Naturheilkunde bedienen, zu deren obersten Prinzipien das „Nihil nocere“ (auf keinen Fall schaden) gehört.

Kernaussagen

  • Für die Kritik am Berufsstand Heilpraktiker muss immer der gleiche Einzelfall herhalten.
  • Statistiken zeigen: Auch Schulmediziner machen Fehler (Medizintote & Kunstfehler).
  • Traditionelle Volks- und Naturmedizinen sind von der UNESCO anerkannt.
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Auch letztere Tatsache scheint die ärztlichen Funktionäre und Vertreter der wissenschaftlichen Medizin in Deutschland nicht davon abzuhalten, immer wieder nach dem Verbot oder massiver Einschränkung der Tätigkeit der Heilpraktiker zu rufen, die nichts anderes tun, als sich zum Ausgleich für gesundheitliches Ungleichgewicht ihrer Patienten der bewährten Prinzipien der traditionellen Naturheilkunde bedienen, zu deren obersten Prinzipien das „Nihil nocere“ (auf keinen Fall schaden) gehört.

Therapeutisch bedeutet das für den Behandler:
1. Respekt vor dem natürlichen Heilverlauf,
2. Nur Maßnahmen einzuleiten, die die natürlichen Heilverläufe fördern oder begünstigen und
3. Gezielte Bedingungen zu schaffen, deren natürliche Abwesenheit die Krankheit erzeugen, unterhalten oder bedingen konnten.

D.h. man behandelt in die Richtung, die auch die Selbstheilung einschlägt und nicht etwa mit „Blockertherapien“ dagegen.

Der Respekt, auch gegenüber den Gesamtzusammenhängen lebendiger Existenz, mahnt Heilpraktiker zur Vorsicht im Einsatz starker Dosen mit zwar auf Teilgebieten nachgewiesener Wirkung, aber gleichzeitig der Ungewissheit der Auswirkung auf das Gesamtsystem Mensch. Man macht also genau das nicht, was die wissenschaftliche Medizin in ihrer ganz normalen Alltagspraxis heute zum großen Teil macht und was sie in der Sentenz postuliert: „Was nicht schadet, kann auch nicht helfen.“ Ein Postulat übrigens, das nur gilt, wenn man an ein Problem eines über Regelkreise kybernetisch gesteuerten ganzheitlichen lebendigen Gesamt-Systems – wie es z.B. der Mensch ist – lokalistisch und monokausal herangeht – und das noch eventuell mit starken Dosen.

Es ist klar und gesetzmäßig, dass diese Vorgehensweise der wissenschaftlichen Medizin irgendeine Resonanz oder einen Widerhall in einem kybernetisch gesteuerten Gesamtsystem hinterlassen muss: Die Ursachen aller iatrogenen Erkrankungen, die sozusagen von der Medizin „hausgemacht“ – bzw. bei der lokalistischen und monokausalen Herangehensweise nicht zu vermeiden sind.

Die wissenschaftliche Medizin erhebt darüber hinaus für dieses Postulat sogar eine Allgemeingültigkeit und geißelt damit z.B. naturheilkundliche Arzneimittel, die – weil sie nicht schaden – angeblich auch nicht helfen können – ungeachtet der Tatsache, dass deren Wirkansatz und Ziel ja gar keine lokalistisch-monokausale Herangehensweise verfolgt, sondern eine konstitutionelle und allgemeine Stärkung für das Begünstigen der Selbstheilungskräfte, welche das beste Beispiel dafür sind, das etwas wirken kann ohne zu schaden. Diese in allen Lebewesen von Natur aus angelegte Eigenschaft der Selbstheilung wird von der wissenschaftlichen Medizin praktisch nicht beachtet, obwohl die Natur von Beginn an Fehlentwicklungen in der Evolution aus sich heraus korrigiert hat, was nichts anderes ist als Selbstheilung.

Wenn man noch einmal einen Blick zurück in die Entstehungszeit der Zellularpathologie wirft, sieht man, dass die Forschungsaktivitäten sich ziemlich bald nicht mehr als solche innerhalb dieses Denkmodells begriffen, sondern als Erforschung der medizinischen Wahrheit. Die Zellularpathologie war kein Paradigma (Denkmodell) mehr, sondern wurde zum medizinischen Dogma – also einer behaupteten medizinischen Wahrheit.

Daraus leitete sich alsbald eine Art Alleinvertretungsanspruch in medizinischen Fragen ab und schließlich auch der Anspruch, andere Heilkundige, die sich diesem Dogma nicht unterwerfen, sondern mit über Jahrhunderte bewährten, traditionellen Heilverfahren und Heilmitteln die gesundheitlichen Ungleichgewichtigkeiten von Menschen, die dieses für sich wünschen, weiter erfolgreich behandeln, zu verbieten oder unangemessen einzuschränken – und das mit dem Hinweis auf deren angebliche Unwissenschaftlichkeit.

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Da der Mensch selbst als Lebewesen im Sinne einer lokalistischen und monokausalen Wissenschaft unwissenschaftlich ist, steht doch hier eine zentrale Frage im Raum: „Wer sagt eigentlich, dass die Heilkunde am Menschen in diesem Sinne wissenschaftlich sein muss?“

Von diesem radikalen Monopol der wissenschaftlichen Medizin geht ebenso eine unerträgliche Bevormundung der vielen Patienten aus, die über die systemische Gesundheitsversorgung hinaus ihre gesundheitlichen Probleme auch als etwas Privates empfinden – das auch in ihre eigene Autonomie fällt – und die deshalb von sich aus mitreden und mitbestimmen möchten, welchen Therapeuten und Therapien sie sich für ihre Behandlung anvertrauen möchten. Dies sollte doch in einem freiheitlichen Rechtsstaat, wo allenthalben das Wort vom mündigen und mitverantwortlichen Bürger im Mund geführt wird, als Grundrecht garantiert sein.

Das sollte auch ein Berufsstand respektieren, der sich als Vertreter des medizinisch-wissenschaftlichen Dogmas und eines danach ausgerichteten Medizinsystems begreift.

Eine Bevormundung durch ein System kann nicht Antwort darauf sein, dass man dem Bürger weitgehend ungefragt monatlich von seinem Arbeitslohn einen Beitrag abzieht, gegen den er sich nicht wehren kann, mit dem das System aber schließlich finanziert wird. Je mehr man die gesundheitlichen Fragen des Bürgers mit einem planwirtschaftlichen Gesundheitssystem beantwortet, das ihm ohne Ansehen der Person vorschreibt, was er zu tun hat, desto mehr wird der Bürger eine gewisse Ohnmacht empfinden und seine monatlichen Beiträge dafür als lästige Zwangsabzüge begreifen. Und er wird bei einer solchen Erfahrung nicht so engagiert bei den „Zwangsmaßnahmen“ zu seiner Gesundung mitarbeiten, sondern eher eine Haltung einnehmen, sich möglichst viel von den ungeliebten Zwangsbeiträgen auf irgendeine Art „zurückzuholen“ – Stichwort: Krankfeiern u.ä.

Wenn die Politik dann auch noch aus sogenannten Kosten- und Einspargründen planwirtschaftliche Lösungen des Systems unangemessen ausbaut und mit dem Gesundheitswesen mehr Finanzpolitik betreibt als Gesundheitspolitik und dem Patienten – selbst in so einem persönlichen Bereich wie der Psychotherapie – die eigene Wahl eines Therapeuten seines Vertrauens wegnimmt und ihm über einen Test durch ein Gremium, wie es jetzt der Gesundheitsminister einführen möchte, seine Therapieart (Gruppentherapie oder einen Therapeuten, der gerade frei wird) vorschreibt, dann wäre ein gleichzeitiges Verbot möglicher alternativer Angebote, wie sie der HP anbietet, doppelt unverständlich.

Hier darf die Politik weder der Lobby der Großpharma noch der Ärzteverbände nachgeben.

Kernaussagen 2

  • Die Selbstheilung wird von der wissenschaftlichen Medizin praktisch nicht angemessen beachtet.
  • Es darf nicht nur die wissenschaftliche Medizin als alleinige anerkannt sein.
  • Kritik am Gesundheitssystem: Planwirtschaftliche Tendenzen – zu wenig individuelle Freiheit in Bezug auf Therapie- und Therapeutenwahl.
Gaensebluemchen
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Dass die FDP plötzlich die Positionen der Ärzteverbände übernimmt, mag ein Erfolg massiver Lobbyarbeit sein, auch wenn nicht nur Ärzte in der Partei dies vorantreiben, sondern wohl auch Juristen, die spezialisiert auf das Medizinrecht sein mögen, aber doch mit den medizinisch-fachlichen Details absolut nicht vertraut sein dürften, um angeblich aus Gründen der Patientensicherheit zu einem Verbotsbegehren des Heilpraktikerberufs aufzurufen.

Der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit führt einen Begriff im Schlepptau, der noch gar nicht so alt ist und unter dem auch die Vertreter der wissenschaftlichen Medizin unterschiedliche Auslegungen und Interpretationen verstehen – es ist der Begriff der „Evidence based medicine – EBM“.

Er wird in der wissenschaftlichen Medizin so ein wenig als „Conditio-sine-qua-non“ verstanden für jedes medizinische Vorgehen, indem alle Therapien und Therapeutika in wissenschaftlichen Studien eine statistische Signifikanz erbracht haben müssen. Ursprünglich hat sich EBM einmal auf den Begriff der Unbedenklichkeit bezogen, was man heute vergessen oder aber verdrängt haben mag, denn man wendet diesen jetzt ausschließlich auf die Wirksamkeit an.

Auch hat man verdrängt, dass der „Erfinder“ dieses Begriffs davon ausging, dass man ein durch Studien evidenzbasiertes Mittel, das ja seine statistische Signifikanz gezeigt hat und das man per definitionem nach diesem medizinischen Wissenschaftsbild demnach jedem unbedenklich geben können müsste, eben doch von Behandler und Patient in jedem Einzelfall abgewogen werden müsse, was schließlich doch einer etwas individuelleren Herangehensweise entspräche, als einer rein statistischen, lediglich auf den Arzneistoff und auf die Krankheitssymptomatik bezogenen Therapie ohne Ansehen der Person.

Aus der unterschiedlichen Sicht der Dinge ergibt sich der Vorwurf der wissenschaftlichen Medizin, dass es den naturmedizinischen Verfahren an Evidenz fehle, weil sie ja darunter eine statistische Evidenz versteht, die sich z.B. auf einen Arzneistoff bezieht, der in der Beseitigung einer Symptomatik in entsprechenden repräsentativen Studien eine deutliche statistische Signifikanz – z.B. gegenüber Placebo – gezeigt hat.

Kernaussagen 3

  • Die FDP will den Heilpraktiker-Beruf abschaffen.
  • Die „Evidence based medicine“ (EBM), bezieht sich nur noch auf Studien mit statistischer Signifikanz und lässt andere medizinische Ansätze nicht gelten.

Diese summarische statistische Evidenz kann eine Naturarznei wie z.B. eine Pflanze als „Vielstoffgemisch“, das aber kein Gemisch im Sinne eines Haufens von Stoffen mehr ist, sondern zu einer eigenen neuen Lebenseinheit als natürliches Lebewesen, wie es auch der Mensch ist, aufwuchs, nicht erbringen. Es geht hier vielmehr um eine Art multifunktionellem Ansatz, der eine individuelle konstitutionelle Schwäche einer kranken Person ausgleicht im Sinne einer Stärkung, um die bessere Entfaltung der Selbstheilungskräfte zu fördern oder zu unterstützen – d.h. es geht um ganz andere Evidenzen als die statistische.

Wegweiser
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Informationen rund um die Heilpraktikerberuf
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Wenn man sozusagen aus diesem Missverständnis heraus und aus der dogmatischen Perspektive der wissenschaftlichen Medizin heraus ein Verbot des Heilpraktikers verlangt oder zumindest eine bis zur Unkenntlichkeit führende Beschneidung des Heilpraktikers in seiner Tätigkeit führt, muss man sich doch zumindest einmal um detaillierte Informationen des Ist-Zustandes bemühen, damit nicht mit Risikovorwürfen dort hantiert wird, wo diese nachweislich gar nicht existieren. Das Ganze wird immer so dargestellt als dürften die Heilpraktiker alles machen, was die Ärzte auch machen, ohne die entsprechenden Voraussetzungen dafür zu erbringen. Das ist von Grund auf falsch.

Wichtig ist doch zur Kenntnis zu nehmen, dass der Heilpraktiker in seiner Berufsausübung aus Patientenschutzgründen und zur Risikoabwehr im geltenden Recht schon seit jeher mit einem massiven Arztvorbehalt belegt ist. D.h., dass ihm die Haupttätigkeit des Arztes, nämlich dem Patienten verschreibungspflichtige – stark wirksame und ebenso stark nebenwirkungsbelastete – Arzneimittel zu verordnen oder am Patienten anzuwenden, bei Strafe untersagt ist.

Dem Heilpraktiker stehen lediglich Arzneimittel zur Verfügung, die zwar nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) zugelassen sind – und auch nur die, die nach wissenschaftlicher Risikoeinschätzung durch die oberste Bundesbehörde, das BfArM, als risikolos bzw. risikoarm eingestuft wurden. Diese sind auch jedem Endverbraucher gleichermaßen ohne Rezept zugänglich – etwa für die eigenverantwortliche Selbstmedikation eines mündigen Bürgers, von dem man in diesem Falle annimmt, dass er ein „aufgeklärter und mit ausreichenden Informationen versehener“ ist.

Das heißt wiederum, dass der Heilpraktiker, was den Zugang und Gebrauch von Arzneimitteln betrifft, jedem Bürger in diesem Land gleichgestellt ist und diesem gegenüber kein Privileg genießt. Aus dieser Sachlage wird klar, dass die Einschätzung, die Tätigkeit des Heilpraktikers wäre „wissenschaftlich“ gesehen grundsätzlich mit einem Risiko behaftet, einfach nicht der Realität entspricht.

Der mündige – weil informierte – Bürger bleibt sowohl bei der eigenverantwortlichen Selbstmedikation – die man ihm zutraut und zugesteht – wie auch beim Besuch des Heilpraktikers ein mündiger und informierter. Hier lässt sich beim besten Willen – was das Risiko betrifft – kein Unterschied unterstellen – höchstens, dass es einen gewissen Vorteil gibt, den Heilpraktiker in eine eigenverantwortliche Selbstmedikation mit einzubinden – im Sinne einer „behandlergestützten Selbstmedikation“, weil dieser aus der Sache heraus die Medikamente aus diesem Segment besser kennen wird.

Weil diese Dinge nicht miteinander ausgesprochen, verhandelt und weiter erforscht werden, gibt es keinen fruchtbaren Dialog zwischen der wissenschaftlichen Medizin und dem Berufsstand der Heilpraktiker, der zu gegenseitigem Verständnis und Respekt führen könnte. Eigentlich will sich die wissenschaftliche Medizin eine lästige Konkurrenz vom Hals schaffen. Die Argumentationsketten dafür entsprechen nicht der Realität, sondern erscheinen eher konstruiert, um das gewollte Ziel zu unterstützen.

Die Patienten brauchen allerdings Beides und sind mündig und informiert genug – haben zudem persönlich viele Erfahrungen gemacht –, dass sie auch Beides angemessen nutzen.

Kernaussagen 4

  • Der Vorwurf, dass Heilpraktiker alles machen dürfen, was Ärzte auch machen, ist falsch.
  • Heilpraktiker dürfen beispielsweise keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel verwenden.
  • Patienten sind mündige informierte Bürger und können demnach den Gebrauch von Schulmedizin als auch von Komplementärmedizin eigenverantwortlich nutzen.