Weizenunverträglichkeit – Proteine bei Weizen und Dinkel unterscheiden sich

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Weizen und Dinkel unterscheiden sich deutlich in der Eiweißzusammensetzung im Mehl – so das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Hohenheim. Auch zwischen den einzelnen Sorten innerhalb dieser Arten gibt es große Unterschiede: Der Gehalt potenziell allergener Proteine kann sogar um den Faktor 20 schwanken. Der Anbauort spielt ebenfalls eine große Rolle. Das ließe sich nutzen: Proteine, die vor allem von der Sorte abhängen, könnten auch zielgerichtet beeinflusst werden – für bessere Backqualität, aber auch bessere Verträglichkeit.

Immer öfter klagen Verbraucher über gesundheitliche Probleme nach dem Verzehr von Weizenmehlprodukten. Dabei ist die Bandbreite an Symptomen groß: Von Kopfschmerzen über Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen bis hin zu Neurodermitis und Depressionen. Beim Verzehr von Dinkelmehlprodukten scheinen diese Beschwerden bei manchen Patienten nicht aufzutreten. Andere Verbraucher vertragen nach eigener Aussage nur manche Weizenprodukte von speziellen Bäckern.

Obwohl in mehreren Studien zahlreiche Inhaltsstoffe von Dinkel mit denen des Brotweizens verglichen wurden, fehlt immer noch eine klare wissenschaftliche Erklärung für dieses Phänomen, denn Brotweizen (Triticum aestivum ssp. aestivum) und Dinkel (Triticum aestivum ssp. spelta) sind eng miteinander verwandt.

Eine Forschungsgruppe der Universität Hohenheim versucht in einem größeren Projekt möglichen Ursachen nun auf die Spur zu kommen. „Eine Rolle könnten möglicherweise manche im Mehl bzw. im Brot enthaltenen Proteine spielen“, erklärt Prof. Dr. med. Stephan C. Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin. „Einige wenige Menschen leiden unter Zöliakie oder allergischen Reaktionen nach dem Verzehr von Weizen. Sie müssen Weizen tatsächlich komplett meiden. Und beide Krankheitsbilder werden durch verschiedene Proteine ausgelöst. Der Auslöser der Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NCWS) dagegen ist noch nicht geklärt, doch man hat auch hier Proteine in Verdacht.“

Bei Dinkel und Weizen, die botanisch zur selben Art gehören, gibt es jeweils Dutzende verschiedener Sorten, die sich erheblich in ihren Eigenschaften unterscheiden. Deswegen haben die Forscher ihr Projekt auf drei Säulen aufgebaut. Zunächst untersuchten sie die Proteine in verschiedenen Weizen- und Dinkelsorten, in einem nächsten Schritt wollen sie dann deren Veränderungen während der Brotherstellung analysieren, und schließlich werden sie die Auswirkungen in einer Humanstudie bewerten. Bisher liegen die Ergebnisse zur ersten Teilstudie vor.

Hunderte Proteine unterscheiden sich zwischen den Sorten und Arten

Für diese Untersuchungen haben die Forscher je 15 Sorten von Weizen und Dinkel, die aktuell für die Produktion von Dinkel und Brotweizen in Deutschland repräsentativ sind, an jeweils drei Standorten in Deutschland und in Frankreich angebaut und das daraus hergestellte Mehl analysiert.

Dies geschieht mit modernen Analysemethoden mittels Massenspektrometrie, bei der die Wissenschaftler die genaue Masse von Molekülen ermitteln und sie so bestimmen. Mit diesen Methoden ist es inzwischen möglich, in einer einzigen Analyse mehrere tausend Proteine in einem Organismus zu erfassen. Eine essenzielle Voraussetzung für diese Methodik ist aber, dass es Datenbanken mit den Proteinsequenzen – den Grundstrukturen der Proteine – geben muss, mit denen man die massenspektrometrischen Analysedaten abgleichen kann. Diese sind zwar für Weizen vollständig vorhanden, aber für Dinkel gibt es bislang nur wenige Sequenzdaten. Daher waren die Forscher nach eigenen Angaben anfangs sehr skeptisch, ob sie in den Dinkelproben überhaupt in großem Umfang Proteine identifizieren können. Zu ihrer Überraschung erwiesen sich die Proteinsequenzen bei Weizen und Dinkel als sehr ähnlich, da sie eng verwandt sind. Das konnten sie nutzen, um mit Hilfe der Weizen-Datenbank Proteine in den Dinkelproben zu identifizieren.
Insgesamt konnten die Forscher so 3050 Proteine in Dinkel bzw. 2770 in Brotweizen nachweisen. Erstaunlich war, dass rund ein Drittel aller Proteine sich bei Weizen und Dinkel in ihrer Expression signifikant unterscheiden.

Auch Standort und Sorte sind für die Proteinbildung entscheidend

Am meisten hat die Forscher der große Umwelteinfluss überrascht. Für rund die Hälfte aller gebildeten Proteine ist der Anbauort prägend. Das bedeutet aber auch, dass man diese Proteine nicht zielgerichtet beeinflussen kann.

Zudem unterscheiden sich die untersuchten Sorten innerhalb der Unterarten Dinkel und Weizen auch stark in ihrem Proteinmuster: So waren zwei Drittel der Proteine, deren Bildung von der Umwelt unabhängig war, nur in einigen, aber nicht in allen Sorten vorhanden und kamen darüber hinaus in unterschiedlichen Mengen vor. Diese Proteine wiederum sind sehr interessant, da sie über die Auswahl der Sorte beeinflusst werden können.

Allergenindex: Potenziell allergische Proteine unterscheiden sich je nach Sorte stark

Darauf aufbauend haben die Forscher für die getesteten Sorten einen „Allergenindex“ berechnet. Hierzu wurden 22 Proteine ausgesucht, die als mögliche Auslöser von Weizenallergie, Bäckerasthma und Weizensensitivität diskutiert werden. Sowohl beim Dinkel als auch beim Weizen konnten die Forscher eine sehr große Schwankungsbreite zwischen den Sorten beobachten: Der Gehalt an potenziell allergenen Proteinen kann sich bei den verschiedenen Sorten um das zwanzigfache unterscheiden. Es gäbe damit die Möglichkeit, die Proteinzusammensetzung und somit Qualität und Verträglichkeit von Weizenprodukten durch die Auswahl geeigneter Sorten zu beeinflussen. Allerdings muss dazu die Messtechnik einfacher und schneller werden, so die Forscher.

Vor allem was die Überempfindlichkeitsreaktionen betrifft, sehen die noch viel Forschungsbedarf. Die Daten können lediglich als Ausgangspunkt für zukünftige Forschungen dienen. So soll nun die Brotherstellung genauer unter die Lupe genommen werden.

Originalpublikation

Afzal, M., Pfannstiel, J., Zimmermann, J., Bischoff, S.C., Würschum, T., Longin, C.F.H., 2020. High-resolution proteomics reveals differences in the proteome of spelt and bread wheat flour representing targets for research on wheat sensitivities. Scientific Reports 10, https://doi.org/10.1038/s41598-020-71712-5

Quelle

Pressemitteilung der Universität Hohenheim, November 2020