Wie die Nieren unsere Muskeln beeinflussen

Nieren
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Patient*innen mit chronischen Nierenerkrankungen leiden meistens an verschiedenen Begleiterscheinungen, die durch den Nierenfunktionsverlust direkt entstehen wie Erythropoetin-Mangel mit Anämie, Vitamin-D-Mangel und Störungen im Kalzium-Phosphat-Haushalt mit Knochenveränderungen und kardiovaskulären Erkrankungen.

Bei zwei von drei Patient*innen mit chronischen Nierenerkrankungen kommt es außerdem zum fortschreitenden Rückgang der Skelettmuskulatur mit zunehmender Gebrechlichkeit, was zur hohen Morbidität und Mortalität in dieser Patientenpopulation beiträgt. Über das genaue Zusammenspiel von Nieren- und Muskelfunktion war bisher kaum etwas bekannt – eine Studie, die sowohl Patientenparameter als auch experimentelle Modelle analysierte, brachte diesbezüglich nun einen Durchbruch.

Man weiß, dass es bei vielen chronischen Erkrankungen zu einem Muskelschwund kommen kann. Nun konnten auch erhöhte Blutspiegel bzw. eine direkt gesteigerte Produktion von löslichen muskelhemmenden Faktoren in den Nieren nachgewiesen werden; vor allem von Activin A, einem Protein der TGF-β-Gruppe („transforming growth factor”), das Wachstum und Zellspezialisierung vermittelt, aber auch den Abbau von Muskelzellen reguliert. Diese Interaktion zwischen Niere und Muskulatur stellt eine weitere zentrale Achse zwischen den Nieren und der Körperhomöostase dar, sind die Forscher überzeugt.

Zudem konnte gezeigt werden, dass genau die Zellen, welche bei chronischen Nierenerkrankungen durch den Vernarbungsprozess zunehmen, vermehrt die muskelhemmenden Faktoren bilden. Somit entsteht also ein Teufelskreis mit nachlassender Nierenfunktion, zunehmender Vernarbung und vermehrter Bildung von muskelhemmenden Faktoren mit letztlich fortschreitendem Muskelschwund.

In experimentellen Modellen konnte eine medikamentöse Blockade dieser Faktoren oder auch eine Gentherapie der Muskeln den Muskelabbau verhindern. Die Studienautor*innen hoffen, diese Achse bei chronisch Nierenkranken und Dialysepatient*innen künftig durch pharmakologische Modulation kontrollieren zu können, um die Lebensqualität langfristig deutlich zu verbessern.

Originalpublikation

Solagna F, Tezze C, Lindenmeyer MT et al. Pro-cachectic factors link experimental and human chronic kidney disease to skeletal muscle wasting programs. J Clin Invest 2021 Jun 1; 131 (11): 135821