Anwendung von Humanhomöopathika durch Tierheilpraktiker*innen wieder erlaubt

21.11.2022 – Seit dem 28.01.2022 gilt das neue Tierarzneimittelgesetz, das Tierheilpraktiker*innen sowie Tierhalter*innen nach § 50 Abs. 2 TAMG untersagt, Humanhomöopathika bei Tieren anzuwenden. Das Bundesverfassungsgericht hat dies nun als teilweise verfassungswidrig eingestuft. Der Tierarztvorbehalt für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika, bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, wurde gekippt.

© Gabriele Müller, con.ziel

Mit dieser Entscheidung können somit nicht verschreibungspflichtige Humanhomöopathika weiterhin sowohl von Tierheilpraktiker*innen als auch von Tierhalter*innen bei Tieren angewandt werden, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen.

Mit Wirkung vom 28. Januar 2022 war das deutsche Tierarzneimittelgesetz an die EU-Rechtsprechung angepasst worden. Zu den Regelungen dieses neuen Tierarzneimittelgesetzes gehört der § 50 Abs. 2 TAMG. Danach durften Tierhalter*innen sowie andere Personen, die nicht Tierärzt*innen sind, Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes bei Tieren nur anwenden, soweit diese von der behandelnden Tierärztin oder dem behandelnden Tierarzt verschrieben oder abgegeben worden waren und die Anwendung gemäß der tierärztlichen Behandlungsanweisung erfolgt. Das bedeutete für Tierheilpraktiker*innen, dass sie Humanhomöopathika, die Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes sind, nicht mehr im Rahmen ihrer Therapiemaßnahmen einsetzen konnten. Das Verbot hätte somit eine Tätigkeit in der klassischen Homöopathie für Therapeuten unmöglich gemacht, es hätte aber auch die Tierhalter unzumutbar eingeschränkt, die ihre Tiere selbst mit Homöopathika behandeln wollen. Dagegen hatten drei Tierheilpraktikerinnen und eine Tierhalterin vor dem Bundesverfassungsgesetz Verfassungsbeschwerde wegen Verstoßes gegen den Artikel 12, Absatz 1 des Grundgesetzes, der die freie Wahl des Berufes sichert, eingelegt.

Am 29.09.2022 hat das Bundesverfassungsgericht dieser Verfassungsbeschwerde gegen den § 50 Absatz 2 des Tierarzneimittelgesetzes (TAMG) stattgegeben. Konkret hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 50 Abs. 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Tierarzneimitteln und zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Tierarzneimittel vom 27. September 2021 (Tierarzneimittelgesetz – TAMG) gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt und nichtig ist, soweit die Vorschrift die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger und zugleich registrierter homöopathischer Humanarzneimittel bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, unter einen Tierarztvorbehalt stellt.

Der im TAMG angeordnete Tierarztvorbehalt verletze die Beschwerdeführerinnen in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und – im Falle einer der Beschwerdeführerinnen, die zugleich Tierhalterin ist – in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), soweit die Vorschrift einen Tierarztvorbehalt auch für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika vorsieht. Der damit verbundene Grundrechtseingriff sei nicht verhältnismäßig.

Die staatlichen Behörden hatten im Gesetzgebungsverfahren vertreten, das Verbot sei notwendig, um Gefahren für Tiere abzuwenden, insbesondere durch Fehlbehandlungen und mangelnde Sachkenntnis der Therapeut*innen. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun klar, dass der Gesetzgeber vor dem Hintergrund, dass die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung von Belangen des Tierschutzes und einer Schädigung der Gesundheit von Tier und Mensch als gering einzuschätzen ist und durch die Einführung einer Pflicht zum Nachweis theoretischer Kenntnisse im Bereich der Tierheilkunde weiter gemindert werden kann, keinen verfassungsrechtlich angemessenen Ausgleich vorgenommen habe.

Dieses Urteil hat der Tierhomöopathie den Rücken gestärkt und einen sicheren rechtlichen Rahmen für die Therapiefreiheit von Tierheilpraktiker*innen geschaffen.

Cave

Leider gilt die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes NICHT auch für den Einsatz von als Humanarzneimittel zugelassenen Blutegeln bei Tieren. Tierheilpraktikerinnen und Tierhalter müssen sich bei Behandlungswunsch der Tiere in punkto Blutegel weiterhin an Tierärzte wenden: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/09/rs20220929_1bvr238021.html

Quellen

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts

Beschluss vom 29. September 2022 (1 BvR 2380/21, 1 BvR 2449/21)