Bericht der WHO: Adipositas-“Epidemie“ in Europa

09.05.2022 – Der neue Sachstandsbericht Adipositas 2022 der Europäischen Region der WHO zeigt auf, dass die Raten von Übergewicht und Adipositas in allen Teilen der Region mittlerweile epidemische Ausmaße angenommen haben und noch immer weiter steigen. Gleichzeitig liegt keiner der 53 Mitgliedstaaten in der Region gegenwärtig auf Kurs, um die globale Zielvorgabe der WHO für nichtübertragbare Krankheiten einer Unterbindung des Anstiegs der Adipositasraten bis 2025 zu verwirklichen.

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Der Bericht stellt fest, dass in der Europäischen Region 59 % der Erwachsenen und nahezu jedes dritte Kind (29 % der Jungen und 27 % der Mädchen) übergewichtig oder adipös sind. Die Prävalenz von Adipositas bei Erwachsenen ist in der Europäischen Region höher als in anderen Regionen der WHO, mit Ausnahme der Region Gesamtamerika.

Übergewicht und Adipositas zählen in der Europäischen Region zu den führenden Ursachen für Tod und Behinderung, wobei jüngste Schätzungen darauf hindeuten, dass sie jährlich für mehr als 1,2 Mio. Todesfälle verantwortlich sind, was einem Anteil von über 13 % der Gesamtsterblichkeit in der Region entspricht.

Durch Adipositas wird das Risiko für viele nichtübertragbare Krankheiten erhöht, darunter Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und chronische Atemwegserkrankungen. So gilt Adipositas etwa als Ursache für mindestens 13 unterschiedliche Krebsarten und ist wahrscheinlich in der gesamten Region direkt verantwortlich für mindestens 200 000 neue Krebsfälle pro Jahr, wobei diese Zahl in den kommenden Jahren noch weiter steigen dürfte. Übergewicht und Adipositas sind zudem die führenden Risikofaktoren für Behinderungen und verursachen 7% der insgesamt mit Behinderungen verbrachten Lebensjahre in der Region.

Übergewichtige und adipöse Menschen waren unverhältnismäßig stark von den Folgen der COVID 19-Pandemie betroffen. Während der Pandemie kam es zu nachteiligen Veränderungen bei Ernährungs- und Bewegungsmustern, die sich in den kommenden Jahren auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken werden und beträchtliche Anstrengungen erforderlich machen werden, um diese umzukehren.

Adipositas in der Europäischen Region: eine anhaltende „Epidemie“

Um die wachsende Epidemie zu bekämpfen, empfiehlt der Bericht eine Reihe von Interventionen und Handlungsoptionen, die die Mitgliedstaaten in Betracht ziehen können, um Adipositas zu verhindern und zu bekämpfen, und zwar ganz im Sinne eines Wiederaufbaus zum Besseren nach der COVID-19-Pandemie.

Politische Maßnahmen: Was können die Länder tun?

Die Bekämpfung von Adipositas ist entscheidend, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen, und ist zudem eine der Prioritäten des Europäischen Arbeitsprogramms 2020–2025 der WHO.
Der neue WHO-Bericht legt dar, dass politische Interventionen, die an den umweltbedingten und kommerziellen Determinanten einer ungesunden Ernährung auf Ebene der Gesamtbevölkerung ansetzen, am wirksamsten sein dürften, um die Adipositasepidemie umzukehren, die bestehenden Ungleichheiten bei der Ernährung abzubauen und umweltverträgliche Ernährungssysteme aufzubauen.

Adipositas ist komplex und weist vielfältige Determinanten auf, mit einer Vielzahl an gesundheitlichen Folgen. Dies bedeutet, dass eine einzelne Intervention nicht in der Lage sein wird, die sich ausbreitende Epidemie zu stoppen.

Jedes nationale Handlungskonzept, das zur Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas genutzt wird, muss durch hochrangiges politisches Engagement gestützt werden. Darüber hinaus sollten entsprechende Handlungskonzepte umfassend sein, die Menschen im gesamten Lebensverlauf erreichen und an bestehenden Ungleichheiten ansetzen. Bei Bemühungen um die Verhinderung von Adipositas müssen auch die weitergefassten Determinanten der Krankheit berücksichtigt werden, und politische Konzepte sollten von Ansätzen abrücken, die den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt rücken, und stattdessen an den strukturellen Triebkräften von Adipositas ansetzen.

Der Bericht der WHO hebt einige konkrete Konzepte hervor, die für die Verringerung der Raten von Übergewicht und Adipositas sehr vielversprechend sind:

  • die Umsetzung steuerlicher Interventionen (wie die Besteuerung von gezuckerten Getränken oder die Subventionierung gesunder Lebensmittel);
  • die Beschränkung der Vermarktung von ungesunden Lebensmitteln an Kinder;
  • die Verbesserung des Zugangs zu Angeboten zur Gewichtskontrolle im Rahmen der primären Gesundheitsversorgung als Teil einer allgemeinen Gesundheitsversorgung;
  • Bemühungen um eine Verbesserung der Ernährung und des Bewegungsverhalten im gesamten Lebensverlauf, u. a. im Rahmen der Versorgung vor und während der Schwangerschaft sowie durch die Förderung des Stillens, schulische Interventionen und Interventionen zur Schaffung von Umfeldern, die die Zugänglichkeit und Bezahlbarkeit gesunder Lebensmittel und die Möglichkeiten zu körperlicher Betätigung verbessern.

Quelle: Pressemitteilung des WHO-Regionalbüros für Europa. Mai 2022