DHZ: Die Gesundheitsminister der Länder haben im Juni die Anforderungen an die Erlaubniserteilung nach dem Heilpraktikerrecht bemängelt. Sie sahen die Qualitätserfordernisse aus Sicht des Patientenschutzes nicht erfüllt. Deshalb hat die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gebeten, gemeinsam mit den daran interessierten Ländern „die Inhalte und Gegenstände der Überprüfung zu überarbeiten und ggf. auszuweiten“. Wie lässt sich dieser Beschluss einordnen?
SK: Das Gesundheitsrecht ist Ländersache, und daher sind Unterschiede und somit Probleme vorprogrammiert. Zwar sind seit einigen Jahren die Überprüfungsrichtlinien einigermaßen einheitlich, und jeweils im März und Oktober wird den Gesundheitsämtern eine bundeseinheitliche schriftliche Überprüfung zur Verfügung gestellt. Einige Gesundheitsämter entscheiden sich allerdings für eigengestaltete Fragebögen.
Die mündlichen Überprüfungen unterscheiden sich jedoch ganz erheblich von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt. Anspruch und Inhalt der Fragen sowie der Anteil praktischer Demonstrationen, beispielsweise von Untersuchungs- oder Injektionstechniken, divergieren stark. In den Richtlinien zur Durchführung der Überprüfung sind leider nur Themengebiete aufgeführt, beispielsweise „Grundkenntnisse in der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung von häufigen Krankheiten, Erkennung von Notfällen…“ Es sind dort nicht das Niveau und besonders wichtige Fragestellungen festgelegt. Oft wird zudem die Praxisrelevanz im Heilpraktikerberuf nicht berücksichtigt.
Aus diesem Blickwinkel ist die Bitte der GMK an das Bundesgesundheitsministerium nachvollziehbar. Ich würde es begrüßen, wenn die Überprüfungsrichtlinien detaillierter und praxisnäher ausgearbeitet würden. Erwähnenswert ist hier ein Vorstoß des Landes Schleswig-Holstein, das den Überprüfungen einen regelrechten Gegenstandskatalog zugrunde legt.
DHZ: Was bedeutet ein solcher Gegenstandskatalog konkret für Heilpraktiker?
SK: Der Begriff „Gegenstandskatalog“ bezeichnet eigentlich die bundeseinheitlichen schriftlichen Prüfungen für Ärzte, Apotheker und Psychotherapeuten. Das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) konkretisiert aufgrund der jeweiligen Rechtsvorschriften, beispielsweise der Approbationsordnung, den Prüfungsstoff. Ein solches System – vielleicht unter anderer Bezeichnung – auch für Heilpraktiker einzuführen wäre hilfreich für alle Beteiligten. Der BDH hat dem Ministerium für Gesundheit in Nordrhein-Westfalen angeboten, an einem Gegenstandskatalog für die Überprüfung von Heilpraktikern mitzuarbeiten. Wenn also die in der GMK genannten „interessierten Länder“ an qualitativ verbesserten Richtlinien zur Überprüfung bundesweit arbeiten, würde der BDH dies gerne unterstützen, natürlich auch mit den anderen Heilpraktikerverbänden zusammen.
DHZ: Kommt es denn vor, dass Ministerien Heilpraktikerverbände zur Mitwirkung einladen?
SK: Aber sicher! Heilpraktikerverbände wurden bei anstehenden Veränderungen schon öfter von Ministerien bzw. Landesgesundheitsämtern als beratende Instanz oder Gesprächspartner eingeladen, beispielsweise bei der Gestaltung des Kriterienkatalogs für die Nachqualifizierung zum sektoralen Heilpraktiker für den Bereich der Physiotherapie.
DHZ: Sie begrüßen also den Vorstoß der GMK und sind für neue ländereinheitliche Überprüfungsrichtlinien?
SK: Ja, dafür plädiere ich. Übrigens könnten durch aktualisierte Prüfungsrichtlinien auch unangemessen lange Wartezeiten auf die Prüfung oder die Wiederholungsprüfung, wie sie leider mitunter vorkommen, durch eine klare Regelung und Zeitvorgabe von ministerieller Seite unterbunden werden. Vor allem aber wäre dies ein erster Schritt, um das Heilpraktikergesetz (HPG) zu schützen und zu erhalten. Das HPG als Bundesgesetz legt nur grob fest, dass es für die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde einer Erlaubnis bedarf, wie man diese Erlaubnis anstreben kann und mit welchen Voraussetzungen. Wenn es einen bundeseinheitlichen Gegenstandskatalog gäbe und ein hoher Qualitätsstandard durch Richtlinien festgeschrieben wäre, könnte damit dem immer noch anzutreffenden Gerücht, jeder könne einfach Heilpraktiker werden, solide entgegengewirkt werden. Prüfungsrichtlinien würden dokumentieren, was genau hinter der Heilpraktikerüberprüfung steckt. Übrigens hören wir oft von Amtsärzten, dass sie sich klarere Definitionen der zu prüfenden Inhalte wünschen, insbesondere für die mündlichen Überprüfungen; auch um für sich selbst Rechtssicherheit zu haben. Denken Sie sich in einen Amtsarzt hinein, auch in die Heilpraktiker, die Beisitzer sind. Sie müssen und wollen mit ihrer Prüfungstätigkeit ihrer beruflichen Pflicht und der vom Staat bzw. der Bevölkerung auferlegten Verantwortung nachkommen und die richtige Entscheidung treffen. Aus den inhaltlich sehr vage formulierten „Überprüfungen“ würden durch ländereinheitliche Überprüfungsrichtlinien endlich Prüfungen werden. Das brächte mehr Sicherheit für die Heilpraktikeranwärter sowie für die prüfenden Amtsärzte und Beisitzer. Und – darum geht es schließlich auch – für die Patienten. Der Wunsch nach einem konkreten und für alle Beteiligten Klarheit schaffenden Gegenstandskatalog besteht also auf allen Seiten.
DHZ: Was müssten solche verbesserten Richtlinien Ihrer Meinung nach umfassen?
SK: Im – nennen wir ihn mal so – Gegenstandskatalog sollte klar definiert sein, was ein Heilpraktikeranwärter in der Prüfung wissen muss. Natürlich gehören alle schon seit langem geprüften Themen dazu – Anatomie, Physiologie und Krankheitslehre, Diagnostik und Differenzialdiagnose, Infektiologie, Laborkunde, Pharmakologie und Toxikologie bzw. das Wissen um gängige Medikationen und die möglichen Interaktionen und so weiter. Die zu prüfenden Fachgebiete sind ja längst geklärt. Die inhaltlichen Schwerpunkte sollten jedoch präzisiert und aktualisiert werden. Die Gesetzeskunde sollte beispielsweise erweitert werden um die berufspraktischen Inhalte des Patientenrechtegesetzes, Medizinprodukterechts und Arzneimittelgesetzes sowie des Infektionsschutz- und Heilmittelwerbegesetzes. Dazu gehören auch die gängigen RKI-Hygienerichtlinien und die TRBA 250 sowie die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften. Auch die praktische Durchführung von Untersuchungsmethoden sollte prüfungsrelevant sein.
Zudem sollte jeder Prüfling hinsichtlich seiner Kenntnisse in Notfallmedizin überprüft werden und praktisch demonstrieren, dass er alle Injektionstechniken beherrscht und er auch einen venösen Zugang sicher legen kann.
DHZ: Das ist doch aber alles jetzt auch schon prüfungsrelevantes Wissen.
SK: Natürlich, und jeder vernünftige Heilpraktikeranwärter wird dies für die Prüfung lernen. Ich kann aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Mitglied des Gutachterausschusses des Landes Nordrhein-Westfalen aber auch sagen, dass in vielen Überprüfungen die Fragen leider nicht aus diesen wichtigen Gebieten stammen. Nicht selten werden Prüflinge stattdessen mit Fragen konfrontiert, die zu fachspezifisch sind – wie es dann in den Begründungen heißt – also zu wenig Realitätsbezug haben. Zum Beispiel sollte in einer mündlichen Prüfung ein Anwärter darstellen, welche Symptome zu erwarten sind, nachdem eine Person kopfüber in ein Schwimmbecken ohne Wasser gesprungen ist und es dadurch zu einer Fraktur der HWS kommt. Der Prüfling wusste das nicht so detailliert, wie es der Prüfer hören wollte, weshalb die Prüfung als „nicht bestanden“ bewertet wurde. Der Prüfling hat daraufhin Beschwerde eingelegt. Im Gutachterausschuss wurde diese Frage dann auch aus der Bewertung gestrichen. Mit solch einem Prüfungsverlauf ist keinem der Beteiligten gedient.
Mir begegnen im Gutachterausschuss natürlich nur die Protokolle aus den Prüfungen, bei denen es ungut lief und es zur Beschwerde kam. Doch das sind leider nicht wenige. In diesen Prüfungsprotokollen fehlen zu oft Fragen, die eindeutig belegen, dass ein Prüfling eben keine Gefahr für die Volksgesundheit ist. Es werden aus den genannten Bereichen oft keine Fragen oder viel zu wenige gestellt.
DHZ: Der Beschluss der GMK bezieht sich auf die Richtlinien zur Erlaubniserteilung. Steht damit auch das Heilpraktikergesetz als solches infrage?
SK: Das Heilpraktikergesetz als Bundesgesetz erlaubt zunächst den Zugang zu unserem Beruf. Es trägt dem Gedanken Rechnung, dass jeder, der heilen möchte, das auch ungehindert tun darf – solange von ihm keine Gefahr für die Volksgesundheit ausgeht. Wer die Überprüfung vor dem Amtsarzt bestanden hat, ist also bezüglich der Ausübung der Heilkunde erst einmal als Gefahr für andere ausgeschlossen. Er hat nun eine Heilerlaubnis.
Die ist dann durch Gesetze begrenzt, in denen steht, was nur ein Arzt tun darf – das ist der sogenannte Arztvorbehalt – und der Heilpraktiker somit nicht. Das sind beispielsweise das Infektionsschutzgesetz, Arzneimittel- und Betäubungsmittelgesetz etc. Das Patientenrechtegesetz regelt zusätzlich seit einigen Jahren ausgezeichnet, welche medizinischen Standards jeder Behandler zu gewährleisten hat, wie es um die Aufklärungs- und Dokumentationspflicht bestellt ist und sogar, was ein Behandlungsfehler ist. Anders ausgedrückt: Eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen regelt detailliert über Verbote und Pflichten die Tätigkeit von uns Heilpraktikern und gewährleistet auf diese Weise den Patientenschutz. Meiner Meinung nach ist damit ein ausreichender gesetzlicher Rahmen für unsere Arbeit vorgegeben.
Es gibt natürlich auch die individuellen Grenzen. Die persönlichen Fähigkeiten zu kennen und zu erkennen, wo die eigene Behandlerkompetenz endet, ist ein wichtiger Bestandteil der Sorgfaltspflicht. Die Möglichkeiten und Grenzen, die ein Heilpraktiker in der Ausübung seiner Arbeit hat, sind daher naturgemäß nicht identisch, sondern unterscheiden sich von Kollege zu Kollege.