Heilpraktiker arbeiten verantwortungsbewusst und hinterfragen sich kritisch

Der Beruf des Heilpraktikers ist schon lange nicht mehr so stark ins Visier genommen worden wie in den letzten Monaten. Braucht es eine Verschärfung der aktuell für Heilpraktiker geltenden Gesetze? Siegfried Kämper (SK), Vizepräsident des BDH, ist nicht der Ansicht. Im Interview plädiert er für ein umsichtiges und verantwortungsbewusstes Verhalten. Und für Anpassungen, wenn sie notwendig sind.

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DHZ: Die Gesundheitsminister der Länder haben im Juni die Anforderungen an die Erlaubniserteilung nach dem Heilpraktikerrecht bemängelt. Sie sahen die Qualitätserfordernisse aus Sicht des Patientenschutzes nicht erfüllt. Deshalb hat die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gebeten, gemeinsam mit den daran interessierten Ländern „die Inhalte und Gegenstände der Überprüfung zu überarbeiten und ggf. auszuweiten“. Wie lässt sich dieser Beschluss einordnen?

SK: Das Gesundheitsrecht ist Ländersache, und daher sind Unterschiede und somit Probleme vorprogrammiert. Zwar sind seit einigen Jahren die Überprüfungsrichtlinien einigermaßen einheitlich, und jeweils im März und Oktober wird den Gesundheitsämtern eine bundeseinheitliche schriftliche Überprüfung zur Verfügung gestellt. Einige Gesundheitsämter entscheiden sich allerdings für eigengestaltete Fragebögen.

Die mündlichen Überprüfungen unterscheiden sich jedoch ganz erheblich von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt. Anspruch und Inhalt der Fragen sowie der Anteil praktischer Demonstrationen, beispielsweise von Untersuchungs- oder Injektionstechniken, divergieren stark. In den Richtlinien zur Durchführung der Überprüfung sind leider nur Themengebiete aufgeführt, beispielsweise „Grundkenntnisse in der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennung und Unterscheidung von häufigen Krankheiten, Erkennung von Notfällen…“ Es sind dort nicht das Niveau und besonders wichtige Fragestellungen festgelegt. Oft wird zudem die Praxisrelevanz im Heilpraktikerberuf nicht berücksichtigt.

Aus diesem Blickwinkel ist die Bitte der GMK an das Bundesgesundheitsministerium nachvollziehbar. Ich würde es begrüßen, wenn die Überprüfungsrichtlinien detaillierter und praxisnäher ausgearbeitet würden. Erwähnenswert ist hier ein Vorstoß des Landes Schleswig-Holstein, das den Überprüfungen einen regelrechten Gegenstandskatalog zugrunde legt.

DHZ: Was bedeutet ein solcher Gegenstandskatalog konkret für Heilpraktiker?

SK: Der Begriff „Gegenstandskatalog“ bezeichnet eigentlich die bundeseinheitlichen schriftlichen Prüfungen für Ärzte, Apotheker und Psychotherapeuten. Das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) konkretisiert aufgrund der jeweiligen Rechtsvorschriften, beispielsweise der Approbationsordnung, den Prüfungsstoff. Ein solches System – vielleicht unter anderer Bezeichnung – auch für Heilpraktiker einzuführen wäre hilfreich für alle Beteiligten. Der BDH hat dem Ministerium für Gesundheit in Nordrhein-Westfalen angeboten, an einem Gegenstandskatalog für die Überprüfung von Heilpraktikern mitzuarbeiten. Wenn also die in der GMK genannten „interessierten Länder“ an qualitativ verbesserten Richtlinien zur Überprüfung bundesweit arbeiten, würde der BDH dies gerne unterstützen, natürlich auch mit den anderen Heilpraktikerverbänden zusammen.

DHZ: Kommt es denn vor, dass Ministerien Heilpraktikerverbände zur Mitwirkung einladen?

SK: Aber sicher! Heilpraktikerverbände wurden bei anstehenden Veränderungen schon öfter von Ministerien bzw. Landesgesundheitsämtern als beratende Instanz oder Gesprächspartner eingeladen, beispielsweise bei der Gestaltung des Kriterienkatalogs für die Nachqualifizierung zum sektoralen Heilpraktiker für den Bereich der Physiotherapie.

DHZ: Sie begrüßen also den Vorstoß der GMK und sind für neue ländereinheitliche Überprüfungsrichtlinien?

SK: Ja, dafür plädiere ich. Übrigens könnten durch aktualisierte Prüfungsrichtlinien auch unangemessen lange Wartezeiten auf die Prüfung oder die Wiederholungsprüfung, wie sie leider mitunter vorkommen, durch eine klare Regelung und Zeitvorgabe von ministerieller Seite unterbunden werden. Vor allem aber wäre dies ein erster Schritt, um das Heilpraktikergesetz (HPG) zu schützen und zu erhalten. Das HPG als Bundesgesetz legt nur grob fest, dass es für die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde einer Erlaubnis bedarf, wie man diese Erlaubnis anstreben kann und mit welchen Voraussetzungen. Wenn es einen bundeseinheitlichen Gegenstandskatalog gäbe und ein hoher Qualitätsstandard durch Richtlinien festgeschrieben wäre, könnte damit dem immer noch anzutreffenden Gerücht, jeder könne einfach Heilpraktiker werden, solide entgegengewirkt werden. Prüfungsrichtlinien würden dokumentieren, was genau hinter der Heilpraktikerüberprüfung steckt. Übrigens hören wir oft von Amtsärzten, dass sie sich klarere Definitionen der zu prüfenden Inhalte wünschen, insbesondere für die mündlichen Überprüfungen; auch um für sich selbst Rechtssicherheit zu haben. Denken Sie sich in einen Amtsarzt hinein, auch in die Heilpraktiker, die Beisitzer sind. Sie müssen und wollen mit ihrer Prüfungstätigkeit ihrer beruflichen Pflicht und der vom Staat bzw. der Bevölkerung auferlegten Verantwortung nachkommen und die richtige Entscheidung treffen. Aus den inhaltlich sehr vage formulierten „Überprüfungen“ würden durch ländereinheitliche Überprüfungsrichtlinien endlich Prüfungen werden. Das brächte mehr Sicherheit für die Heilpraktikeranwärter sowie für die prüfenden Amtsärzte und Beisitzer. Und – darum geht es schließlich auch – für die Patienten. Der Wunsch nach einem konkreten und für alle Beteiligten Klarheit schaffenden Gegenstandskatalog besteht also auf allen Seiten.

DHZ: Was müssten solche verbesserten Richtlinien Ihrer Meinung nach umfassen?

SK: Im – nennen wir ihn mal so – Gegenstandskatalog sollte klar definiert sein, was ein Heilpraktikeranwärter in der Prüfung wissen muss. Natürlich gehören alle schon seit langem geprüften Themen dazu – Anatomie, Physiologie und Krankheitslehre, Diagnostik und Differenzialdiagnose, Infektiologie, Laborkunde, Pharmakologie und Toxikologie bzw. das Wissen um gängige Medikationen und die möglichen Interaktionen und so weiter. Die zu prüfenden Fachgebiete sind ja längst geklärt. Die inhaltlichen Schwerpunkte sollten jedoch präzisiert und aktualisiert werden. Die Gesetzeskunde sollte beispielsweise erweitert werden um die berufspraktischen Inhalte des Patientenrechtegesetzes, Medizinprodukterechts und Arzneimittelgesetzes sowie des Infektionsschutz- und Heilmittelwerbegesetzes. Dazu gehören auch die gängigen RKI-Hygienerichtlinien und die TRBA 250 sowie die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften. Auch die praktische Durchführung von Untersuchungsmethoden sollte prüfungsrelevant sein.

Zudem sollte jeder Prüfling hinsichtlich seiner Kenntnisse in Notfallmedizin überprüft werden und praktisch demonstrieren, dass er alle Injektionstechniken beherrscht und er auch einen venösen Zugang sicher legen kann.

DHZ: Das ist doch aber alles jetzt auch schon prüfungsrelevantes Wissen.

SK: Natürlich, und jeder vernünftige Heilpraktikeranwärter wird dies für die Prüfung lernen. Ich kann aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Mitglied des Gutachterausschusses des Landes Nordrhein-Westfalen aber auch sagen, dass in vielen Überprüfungen die Fragen leider nicht aus diesen wichtigen Gebieten stammen. Nicht selten werden Prüflinge stattdessen mit Fragen konfrontiert, die zu fachspezifisch sind – wie es dann in den Begründungen heißt – also zu wenig Realitätsbezug haben. Zum Beispiel sollte in einer mündlichen Prüfung ein Anwärter darstellen, welche Symptome zu erwarten sind, nachdem eine Person kopfüber in ein Schwimmbecken ohne Wasser gesprungen ist und es dadurch zu einer Fraktur der HWS kommt. Der Prüfling wusste das nicht so detailliert, wie es der Prüfer hören wollte, weshalb die Prüfung als „nicht bestanden“ bewertet wurde. Der Prüfling hat daraufhin Beschwerde eingelegt. Im Gutachterausschuss wurde diese Frage dann auch aus der Bewertung gestrichen. Mit solch einem Prüfungsverlauf ist keinem der Beteiligten gedient.

Mir begegnen im Gutachterausschuss natürlich nur die Protokolle aus den Prüfungen, bei denen es ungut lief und es zur Beschwerde kam. Doch das sind leider nicht wenige. In diesen Prüfungsprotokollen fehlen zu oft Fragen, die eindeutig belegen, dass ein Prüfling eben keine Gefahr für die Volksgesundheit ist. Es werden aus den genannten Bereichen oft keine Fragen oder viel zu wenige gestellt.

DHZ: Der Beschluss der GMK bezieht sich auf die Richtlinien zur Erlaubniserteilung. Steht damit auch das Heilpraktikergesetz als solches infrage?

SK: Das Heilpraktikergesetz als Bundesgesetz erlaubt zunächst den Zugang zu unserem Beruf. Es trägt dem Gedanken Rechnung, dass jeder, der heilen möchte, das auch ungehindert tun darf – solange von ihm keine Gefahr für die Volksgesundheit ausgeht. Wer die Überprüfung vor dem Amtsarzt bestanden hat, ist also bezüglich der Ausübung der Heilkunde erst einmal als Gefahr für andere ausgeschlossen. Er hat nun eine Heilerlaubnis.

Die ist dann durch Gesetze begrenzt, in denen steht, was nur ein Arzt tun darf – das ist der sogenannte Arztvorbehalt – und der Heilpraktiker somit nicht. Das sind beispielsweise das Infektionsschutzgesetz, Arzneimittel- und Betäubungsmittelgesetz etc. Das Patientenrechtegesetz regelt zusätzlich seit einigen Jahren ausgezeichnet, welche medizinischen Standards jeder Behandler zu gewährleisten hat, wie es um die Aufklärungs- und Dokumentationspflicht bestellt ist und sogar, was ein Behandlungsfehler ist. Anders ausgedrückt: Eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen regelt detailliert über Verbote und Pflichten die Tätigkeit von uns Heilpraktikern und gewährleistet auf diese Weise den Patientenschutz. Meiner Meinung nach ist damit ein ausreichender gesetzlicher Rahmen für unsere Arbeit vorgegeben.

Es gibt natürlich auch die individuellen Grenzen. Die persönlichen Fähigkeiten zu kennen und zu erkennen, wo die eigene Behandlerkompetenz endet, ist ein wichtiger Bestandteil der Sorgfaltspflicht. Die Möglichkeiten und Grenzen, die ein Heilpraktiker in der Ausübung seiner Arbeit hat, sind daher naturgemäß nicht identisch, sondern unterscheiden sich von Kollege zu Kollege.

Jeder Heilpraktiker, der also die Gesetze beachtet, gemäß Patientenrechtegesetz arbeitet, den Arztvorbehalt respektiert, seinen Pflichten nachkommt und seine eigenen Grenzen kennt, wird seinen Beruf unbehelligt ausüben können. Nach meiner Einschätzung und meiner Erfahrung aus der Tätigkeit für den BDH sowie als Mitglied des Gutachterausschusses für das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen trifft das nahezu auf alle Kollegen zu.

DHZ: Aber eben nicht auf alle Kollegen, wie ein aktuelles Beispiel zeigt.

SK: Einzelfälle, wie der in den Medien viel diskutierte Fall des Heilpraktikers aus Brüggen-Bracht, durch dessen Verschulden Menschen zu Tode gekommen sein sollen, erwecken leider immer wieder den Eindruck, der Gesetzgeber müsse den Beruf des Heilpraktikers stärker regulieren. Ich sehe das nicht so. Betrachten wir diesen Fall einmal genauer: Allein anhand der mir vorliegenden Zeitungsartikel, deren inhaltliche Richtigkeit wir einmal voraussetzen, und dem Praxisauftritt des beschuldigten Heilpraktikers im Internet lässt sich schon ersehen, dass hier mindestens gegen das Patientenrechtegesetz sowie das Heilmittelwerbegesetz massiv verstoßen sowie die Sorgfaltspflicht verletzt wurde.

Dieser Heilpraktiker hat eine Substanz eingesetzt, für die es weder eine Zulassung gibt, noch deren mögliche Wirkungen oder Nebenwirkungen er hätte abschätzen können. Auch wenn die Substanz, 3-Brompyruvat, legal zu beschaffen ist, liegt ein weiterer Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vor, weil ein nicht zugelassenes Arzneimittel verabreicht wurde. Das kann ein Heilpraktiker oder Arzt im Rahmen der Therapiefreiheit zwar tun. Doch er muss dann auch gemäß Patientenrechtegesetz entsprechend ausgiebig aufklären – und das kann er natürlich nur, wenn er selbst weiß, wie die Substanz wirkt, wann sie toxisch wirken kann oder ob es unerwünschte Langzeitwirkungen gibt. All dies ist bei 3-Brompyruvat gar nicht möglich. Es handelt sich hierbei auch nicht um einen sogenannten Off-Label-Use, da es gar keine Zulassung, also kein „Label“, gibt.

De facto hat dieser Heilpraktiker gegen eine Reihe von längst bestehenden Gesetzen verstoßen. Dass das in keiner direkten Verbindung mit dem Heilpraktikergesetz steht und der Beruf des Heilpraktikers tatsächlich sehr gut reguliert ist, ist vielen Politikern nicht bekannt und der breiten Öffentlichkeit schon gar nicht. Es gibt leider immer wieder Menschen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen geltendes Recht verstoßen. Es gibt ja auch Autofahrer, die trotz bester Verkehrsgesetze bei roter Ampel absichtlich über die Kreuzung rasen. So etwas würde durch eine schärfere Straßenverkehrsordnung auch nicht verhindert werden können.

Dass die allermeisten Heilpraktiker mit großer Sorgfalt und gesetzkonform arbeiten und nicht vorsätzlich Gesetzes- oder Regelungslücken suchen, um Behandlungen durchzuführen, die im Grunde noch nicht einmal typisch sind für unseren Beruf, ist und bleibt die Regel.

DHZ: Dann liegt es also auch an jedem einzelnen Heilpraktiker selbst, wie der gesamte Berufsstand in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

SK: Ja, das kann man so sagen. Und jeder Heilpraktiker ist gefordert, sich vor jeder Verordnung oder Anwendung genau zu versichern, dass die werblichen Aussagen von Herstellern zu Substanzen oder Geräten der Wahrheit entsprechen. Man muss selbst immer kritisch prüfen. (…)

Ich warne daher eindringlich vor Verordnungen von Präparaten ungesicherter Wirksamkeit oder dem Einsatz von Geräten beispielsweise ohne CE-Kennzeichen. Denn tatsächlich liegt die Haftung gegenüber dem Patienten nicht bei der Firma oder dem verantwortungslosen Referenten, sondern beim verordnenden oder anwendenden Heilpraktiker. Dieser muss im Schadensfall seine Naivität oder Gutgläubigkeit oder auch seine Dummheit teuer bezahlen. Die Haftpflichtversicherung wird das Geld, das dem Patienten zugesprochen wird, vom Heilpraktiker zurückfordern – zumal wenn nicht ausreichend aufgeklärt wurde oder der kleinste Fehler nachzuweisen ist. Das kann die finanzielle Existenz kosten. Ich rate daher unbedingt zur kritischen Prüfung jeder Werbeaussage. Im Zweifelsfall sollten die Kollegen bei ihrem Berufsverband anfragen.

DHZ: Etwa zeitgleich mit dem Beschluss der GMK hat das Land Hessen eine Gesetzesinitiative, oder genauer eine Hygieneverordnung, auf den Weg gebracht. Worum geht es darin?

SK: Invasiv arbeitende Heilpraktiker sollen verpflichtend eine ca. 40 Stunden umfassende Weiterbildung in Hygiene absolvieren. Die Heilpraktikerverbände wurden angeschrieben und zu einem Gespräch ins Gesundheitsministerium Hessen eingeladen. Ich erfuhr, dass man in Hessen Ärzte, insbesondere Chirurgen, dazu verpflichtet hat, eine 40 Stunden umfassende Weiterbildung in Sachen Hygiene zu absolvieren. 40 Stunden! Ich habe darum gebeten, zwischen Chirurgen und Heilpraktikern zu unterscheiden und gemeinsam mit den Vertretern der anderen Heilpraktikerverbände ein individuelles Weiterbildungskonzept für Heilpraktiker auszuarbeiten. Es soll sicherstellen, dass alle Heilpraktiker die Hygienestandards gemäß den Vorgaben der TRBA 250 und der RKI-Richtlinie umsetzen. Die Heilpraktiker, die das bereits tun, was ein guter praxiseigener Hygieneplan abbildet, sollen dagegen von einer zusätzlichen Verpflichtung zur Weiterbildung befreit werden. Ich bin diesbezüglich im Gespräch mit den Verantwortlichen in Hessen.

Mir fällt gerade auch noch das am 30.5.2016 erlassene Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ein …

DHZ: Inwiefern betrifft das „Antikorruptionsgesetz“ die Heilpraktiker?

SK: Gar nicht. Aber ich möchte damit etwas verdeutlichen: In der DHZ 2/2015 habe ich das damals noch sehr junge Patientenrechtegesetz kommentiert. Mein Fazit war, dass es den Beruf des Heilpraktikers stärken wird. Wir Heilpraktiker sind darin berücksichtigt, denn wir sind als Behandelnde wie sonst noch in keinem anderen Gesetz miteinbezogen worden. Das Gesetz hat viele Regelungslücken indirekt geschlossen. Es unterscheidet nicht zwischen Arzt oder Heilpraktiker, sondern spricht vom „Behandler“, was keine Regelungslücke zulässt. Es macht deutlich, dass wir Heilpraktiker einen Heilberuf ausüben, dessen Behandlungsautonomie der eines Arztes fast gleichkommt.

In diesem „Antikorruptionsgesetz“ wird nun sehr klar die Bestechlichkeit angeprangert und streng unter Strafe gestellt. Verboten sind eine Vorteilnahme bei der Verordnung oder beim Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln und Medizinprodukten sowie eine Vorteilnahme bei der Patientenzuführung oder Zuführung von Untersuchungsmaterial, also Laboraufträgen.

Der Heilpraktiker ist von diesem Gesetz jedoch nicht betroffen, ja sogar ausgeklammert. Man muss „Angehöriger eines Heilberufs sein, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert …“. Ich bedauere das ehrlich gesagt sehr. Ich bin der Meinung, dass gemäß unserer Berufsordnung, die einer Ethikerklärung gleichkommt, es doch selbstverständlich ist, dass wir uns nicht von Arzneimittelfirmen oder Laborbetreibern Provisionen auszahlen lassen, damit wir besonders deren Präparate verordnen oder mehr Untersuchungen in Auftrag geben. Das Gesetz sollte Heilpraktiker einschließen.

DHZ: Bei der Vielfalt der derzeitigen Entwicklungen: Wie wird der Heilpraktikerberuf in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

SK: Von Kollegen höre ich, dass ihre Patienten auf die zum Teil sehr polemische Berichterstattung überaus gelassen oder mit echter Parteinahme für uns Heilpraktiker reagieren. „Schwarze Schafe gibt es doch in jedem Beruf! Ich vertraue meinem Heilpraktiker!“ ist das, was sie weitaus am häufigsten hören.

Und es ist beeindruckend, wie viel gerade in dieser Zeit rund um den Heilpraktikerberuf auch Positives geschrieben oder wie er in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Es ist auffallend, wie häufig Heilpraktiker in verschiedenen Medien interviewt oder zitiert werden, wenn Fragen rund um die Gesundheit Thema sind.

DHZ: Müssen wir befürchten, dass es den Heilpraktiker bald nicht mehr geben wird?

SK: Vernachlässigen wir einmal den oft zitierten juristischen Grundsatz des Bestandsschutzes, also der Besitzstandswahrung. Zu viele Menschen schätzen unseren Berufsstand. Wir haben schon jetzt einen Ärzte- und Hausärztemangel, mit steigender Tendenz. Ich will hier sicherlich nicht die Schulmedizin an den Pranger stellen – aber oft springt bei entsprechenden Krankheitsbildern der Heilpraktiker in die Bresche, beispielsweise wenn ein Patient wochenlang auf einen Termin beim Orthopäden wartet. Zukünftig könnten Heilpraktiker viel stärker dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung insbesondere in ländlichen Gebieten durch ihre Kompetenz und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Methoden und Maßnahmen sicherzustellen. Das öffentliche Gesundheitssystem spart jetzt schon durch die vielen Selbstzahler enorm, weil diese nicht die GKV in Anspruch nehmen.

Unser Berufsstand muss – wie jeder, der nicht aussterben will – mit der Zeit gehen, sich kritisch selbst betrachten, wo nötig, erneuern und möglichst zukünftige Entwicklungen aktiv mitgestalten.

Ich bin davon überzeugt, dass der Heilpraktiker inzwischen zu einem festen Bestandteil unseres ausgezeichneten Gesundheitssystems geworden ist. Wir sollten alles dafür tun, dass unser positives Image nicht nur durch die gute, ehrliche und oft bescheidene Arbeit in den Praxisräumen so erhalten bleibt, sondern wir sollten auch konstruktiv und positiv auf die Politik zugehen, wenn gefordert wird, das Zulassungssystem zu verbessern.
Dieser Artikel ist in der DHZ – Deutsche Heilpraktiker Zeitschrift, 2016; 6: 5–9 erscheinen und ist online zu finden unter: http://dx.doi.org/10.1055/s-0036-1593449. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe auf unserer Website.

HP Siegfried Kämper
Siegfried Kämper ist seit 1992 Vizepräsident des BDH. Er ist Leiter der Arzneimittel- sowie der Gutachten- und Gebührenkommission des BDH. Seit 2006 ist er Herausgeber der DHZ. Sein Buch „Praxishandbuch für Heilpraktiker. Abrechnung, Praxisführung, Recht und Hygiene“ ist in ist in der 3. Auflage im Haug-Verlag erschienen.