Lauterbachs Ablenkungsmanöver: Die Diskussion um die Satzungsleistungen für Homöopathie

15.01.2024 – Wieder einmal sorgt Bundesgesundheitsminister Lauterbach mit seiner (nicht neuen) Forderung nach Abschaffung der Satzungsleistungen für homöopathische und anthroposophische Leistungen für medialen Rummel. Doch der Zeitpunkt macht angesichts gravierender Probleme des Gesundheitswesens keinen Sinn. Handelt es sich also nur um ein Ablenkungsmanöver Lauterbachs, der notwendige große Reformen nicht durchsetzen kann? In jedem Fall schadet er dem Ansehen der Homöopathie und der Anthroposophie und verunsichert die Patient*innen unnötig.

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In den letzten Tagen haben uns etliche Schreiben unserer Mitglieder erreicht, die vom medialen Rummel um die erneuten Attacken des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach gegen die Homöopathie und die anthroposophische Medizin aufgeschreckt wurden. Er hat in einem Spiegel-Interview  behauptet, er werde die Erstattung von homöopathischen und anthroposophischer Behandlungen und Arzneimittel im Rahmen der Satzungsleistungen streichen. Dazu wolle er ein Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen. Welches das sei, ließ er offen.

Es gehe ums Prinzip

Der SPD-Politiker räumte im Spiegel ein, dass relativ geringe Einsparungen erzielt würden, aber es gehe ums Prinzip. Die Grundlage für Kostenerstattungen müsse der wissenschaftliche Sachstand sein. Alles andere müssten die gesetzlichen Krankenversicherungen nicht bezahlen. Krankenkassen sollen entsprechende private Zusatzversicherungsverträge anbieten. Auf X (vormals Twitter) legte er nach: „Homöopathie macht als Kassenleistung keinen Sinn. Auch den Klimawandel können wir nicht mit Wünschelruten bekämpfen. Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein.“

Auswirkungen auf die Therapiefreiheit und den homöopathischen Markt

Zum GKV-Leistungskatalog gehören die Homöopathie und Anthroposophie in Deutschland zwar ohnehin nicht, aber gesetzliche Krankenkassen können homöopathische Beratungen per Satzungsleistung erstatten. Heilpraktiker*innen sind von dem geplanten Vorhaben Lauterbachs nicht direkt betroffen, da ihre Patient*innen die von ihnen erbrachten Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen ohnehin nicht erstattet bekommen. Einige Kolleg*innen befürchten jedoch einen Flächenbrand: Die Streichung der Satzungsleistungen der gesetzlichen Krankenkasse für die Homöopathie könnte einen Wegfall der Erstattung durch die Beihilfe und die Zusatzversicherungen nach sich ziehen. Außerdem empfinden Sie die ständige Kritik an der Homöopathie und auch unseren Berufsstand als eine Art „Rufmord“. Zu befürchten ist auch, dass der Erstattungswegfall die Hersteller homöopathischer Arzneien finanziell belasten wird. Mal ganz abgesehen davon, dass es zu mehr sozialer Ungerechtigkeit führen würde, denn private Zusatzversicherungen können sich die weniger gut verdienenden Patient*innen nicht leisten. Außerdem würde die Therapiewahlfreiheit der Patient*innen weiter beschnitten. In Summe also genug Gründe, warum auch wir Heilpraktiker*innen uns mit dem Thema beschäftigen sollten.

Kein neues Thema

Das jetzt medial wieder stark in den Vordergrund gerückte Anliegen Lauterbachs ist nicht neu. Er hat sich bereits 2022 – ebenfalls im Spiegel – fast wortgleich zum Thema geäußert. Er macht seit Jahren keinen Hehl daraus, dass er kein Freund der Homöopathie – und auch kein Freund der Heilpraktiker*innen – ist. Schon vor seinem Amtsantritt hatte er gefordert, dass Kassen die Kosten für homöopathische Leistungen nicht mehr tragen sollen. Auch wenn die Homöopathie vom Ausgabenvolumen nicht bedeutsam sei, habe sie in einer wissenschaftsbasierten Gesundheitspolitik keinen Platz, sagte der SPD-Politiker schon damals. Doch was veranlasst den Politiker zu diesem Zeitpunkt, in denen die Ampel-Koalition und vor allen Dingen sein Ministerium mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat, sich mit einem realpolitischem und wirtschaftlichem „Nischenthema“ zu beschäftigen, oder zumindest so zu tun, als ob er es tue? Niemand kann ernsthaft davon ausgehen, dass der Wegfall der Erstattung homöopathischer Leistungen im Rahmen der Satzungsleistungen wirklich zu einer Reduktion der Kosten führen kann. Denn die Patient*innen, die bisher homöopathische Arzneien genommen haben, würden mit anderen Arzneien, die im Zweifel deutlich teurer sind, versorgt werden.

Ablenkungsmanöver des Ministers

Es scheint vielmehr so, dass Lauterbach, der zunehmend unter Druck gerät, von den eigentlichen Problemen seines Ministerium, die er nicht in den Griff bekommt, mit diesem „Nebenschauplatz“ ablenken will und dies mithilfe der bekannten Medien, die sich gerne an der Hetze gegen Homöopathie beteiligen. Nicht nur verbuchten die gesetzlichen Kassen 2023 ein Milliardendefizit, für das Lauterbach keine wirkliche Lösung hat, dem BMG läuft auch bei der Umsetzung der im Koalitionsvertrag fixierten Vorhaben die Zeit davon. Gesetze, die bis zum 24. April nicht im Bundeskabinett verabschiedet sind, können nicht zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Dazu zählen die Krankenhausreform, Gesetze zur Notfallreform und zum Rettungsdienst, das Gesetz zum Umbau der Gematik zu einer Nationalen Digitalagentur, das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz sowie für eine Reform der hausärztlichen Honorierung, die alle nicht oder nur langsam vorankommen und bei denen der Minister, wie zum Beispiel beim Krankenhaustransparenzgesetz, auf viel Widerstand stößt.

Kritik wächst

Allerdings formiert sich auch Kritik an seinem Vorhaben, zumal auch andere Politiker dieses Ablenkungsmanöver durchschauen. So sagt der gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) dem MDR, dass die Einsparungen durch den Wegfall der Erstattung homöopathischer und anthroposophischer Leistungen nur minimale Einsparungen erzielt würden und es größere Strukturreformen brauche. Hier sei der Gesundheitsminister gefragt, die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vorhaben umzusetzen. Debatten über Nebenschauplätze zu führen, wäre hier nicht zielführend.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge, kritisierte die Ablenkungsmanöver des Bundesgesundheitsministers. Der Rheinischen Post sagte der CDU-Politiker: „Anstelle von grundsätzlichen Überlegungen zur Sanierung der Kassenfinanzen verliert sich der Minister nun im Klein-Klein“. Die geplante Streichung der homöopathischen Leistungen sei „eine Nebelkerze, die von der offensichtlichen bisherigen Untätigkeit in dieser Legislaturperiode ablenken soll“.

Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Die Grünen) spricht gegenüber dem „Tagesspiegel“ ebenfalls von Nebelkerzen des Ministers. Er nennt die Diskussion eine „scheinheilige Evidenz- versus Kostendebatte“. Sie sei angesichts der geringen Einsparmöglichkeiten unangemessen. Er warne davor „in dieser Situation diesen Konflikt aufzumachen“. Viele Menschen würden der Homöopathie vertrauen, weil sie damit offensichtlich gute Erfahrungen machen. Die Kosten der Kassen für diese Leistungen seien dagegen marginal. Höchstens zehn Millionen Euro könnten dadurch eingespart werden, bei einer Finanzierungslücke beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von 3,2 Milliarden Euro für das laufende Jahr.

Ähnlich äußert sich Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) in der „Frankenpost“. Auch sie spricht von einer „politischen Nebelkerze, die offensichtlich davon ablenken solle, dass die Bundesregierung bei der notwendigen Finanzierungsreform der gesetzlichen Krankenkassen nicht vorankomme“. Die evidenzbasierte moderne Medizin müsse zwar der Maßstab für die Versorgung sein. Es bestehe aber in der Bevölkerung durchaus auch der Wunsch nach ganzheitlichen alternativen Behandlungsansätzen.

Die Initiative „weil’s hilft“ appelliert an Minister Lauterbach: „Gehen Sie nicht über die Bedürfnisse Ihrer Wählerinnen und Wähler hinweg! Besuchen Sie die Hausarztpraxen, in denen Anthroposophische Medizin und Homöopathie seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert werden, und machen Sie sich ein Bild von der Realität vor Ort. Stoppen Sie Ihre Kampagne gegen die Homöopathie und setzen Sie sich stattdessen für Gesetze ein, die den Menschen dienen und unser Gesundheitssystem verbessern“. Gleichzeitig fordert sie die Patient*innen und alle Betroffenen auf, gemeinsam ein starkes Zeichen für die Homöopathie und die Anthroposophische Medizin zu setzen. Dazu hat sie verschiedene Aktionen geplant, an denen man sich beteiligen kann, unter anderem ein Schreiben an den Bundesgesundheitsminister.

Fazit

Als Heilpraktiker*innen sind wir von der Diskussion nur indirekt betroffen und im Grunde bedeuten die Satzungsleistungen eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten unseres Berufsstands gegenüber den homöopathisch tätigen Ärzt*innen. Aber selbstverständlich werden wir uns als Berufsverband immer für die Methoden der Homöopathie und Anthroposophie einsetzen, denn sie sind segenreiche Therapien und immense Bereicherung unseres Therapiespektrums. Wer diese Verfahren richtig anwendet, wird nie damit aufhören! Und Patient*innen, die die Wirkung einmal erlebt haben, werden auch nicht so schnell darauf verzichten, auch wenn einige von ihnen von den Angriffen verunsichert werden. Sorgen wir also mit guter Arbeit und Therapieerfolgen dafür, dass unsere Patient*innen von unseren Therapieverfahren weiterhin überzeugt sind!