Probiotika gegen Depressionen

27.06.2022 – Die Darmflora spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit – auch für die psychische. Forschende der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel zeigen nun, dass Probiotika die Wirkung von Antidepressiva unterstützen und Depressionen mildern können.

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Mit Medikamenten und Psychotherapie versuchen Fachleute Patienten mit Depressionen zu helfen. Bei manchen hält sich die Depression jedoch hartnäckig. Deshalb suchen Forschende nach Möglichkeiten, die bestehenden Therapien zu verbessern und neue zu entwickeln. Ein vielversprechender Ansatz ist die sogenannte Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse. Unter dem Mikrobiom versteht man generell die Gesamtheit der Mikroorganismen, die im oder auf dem menschlichen Körper leben, etwa die Darmflora. Unter anderem über Stoffwechselprodukte können Darmbakterien das Nervensystem beeinflussen.

Ein Forschungsteam der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken zeigt nun in einer Studie, dass Probiotika die Therapie mit Antidepressiva unterstützen können.

Die Darmflora beeinflusst die Psyche

Aus früheren Studien weiß man, dass bei Patientinnen und Patienten mit einer Depression Darm- und Verdauungsprobleme überdurchschnittlich häufig auftreten. Pflanzt man Mäusen, die steril – also ohne Darmflora – aufgezogen wurden, die Darmflora von depressiven Personen ein, entwickeln die Tiere ebenfalls ein depressionsähnliches Verhalten. Sie sind beispielsweise energieloser und zeigen weniger Interesse an der Umgebung als ihre Artgenossen. Forschende vermuten daher, dass die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Darm eine wichtige Rolle für die depressive Symptomatik spielt.

In ihrer neuen Studie haben die Forschenden systematisch untersucht, wie sich die Einnahme von Probiotika bei Patient*innen mit einer Depression auswirkt. Alle Teilnehmenden waren zur stationären Behandlung in den Universitären Psychiatrischen Kliniken und erhielten zusätzlich zu Antidepressiva während 31 Tagen ein Probiotikum (21 Personen) oder ein Placebo (26 Personen). Weder die Teilnehmenden noch das Studienpersonal wussten während des gesamten Studienzeitraums, welches Präparat die Proband*innen erhielten. Direkt vor der Behandlung, am Ende der 31 Tage sowie noch einmal vier Wochen später unterzogen die Forschenden die Teilnehmer*innen einer Reihe von Tests.

Die Analyse ergab, dass zwar dank der Antidepressiva die depressiven Symptome bei allen Teilnehmenden abnahmen. In der Probiotika-Gruppe verbesserte sich der Zustand der Proband*innen jedoch deutlich stärker als in der Placebo-Gruppe.

Zudem veränderte sich bei ihnen die Zusammensetzung der Darmflora zumindest zeitweise: In der Probiotika-Gruppe zeigte eine Analyse von Stuhlproben eine Zunahme von Milchsäurebakterien am Ende der Behandlung; ein Effekt, der mit der Abnahme der depressiven Symptomatik einher ging. Allerdings nahm der Anteil dieser gesundheitsfördernden Darmbakterien im Laufe der folgenden vier Wochen wieder ab. «Womöglich sind vier Wochen Behandlung nicht lang genug und die neue Zusammensetzung der Darmflora stabilisiert sich erst nach einem längeren Zeitraum», erklären die Studienautor*innen.

Verarbeitung emotionaler Reize verändert sich

Ein weiterer interessanter Effekt der Probiotika-Einnahme betraf die Hirnaktivität beim Anschauen neutraler und ängstlicher Gesichter. Dies untersuchten die Forschenden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT). Bei Patient*innen mit Depressionen verhalten sich bestimmte Hirnregionen für emotionale Verarbeitung anders als bei psychisch Gesunden. Nach der vierwöchigen Probiotika-Einnahme normalisierte sich diese Hirnaktivität bei den Teilnehmenden, in der Placebo-Gruppe jedoch nicht.

Die Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse sei zwar schon einige Jahre Thema der Forschung, die genauen Mechanismen seien bis heute allerdings nur teilweise klar», so die Wissenschaftler*innen. Auch deshalb war den Forschenden wichtig, eine breite Palette an Bakterien in Form von Probiotika einzusetzen, wie sie bereits auf dem Markt sind. Mit zusätzlichem Wissen über die spezifische Wirkung bestimmter Bakterien wäre es möglich, die Auswahl der Bakterien zu optimieren und die beste Mischung einzusetzen, um die Therapie bei Depressionen zu unterstützen. Die Forschenden betonen jedoch, dass sich Probiotika als alleinige Therapie gegen eine Depression nicht eignen.

Originalpublikation

Anna-Chiara Schaub, Else Schneider, Jorge F. Vazquez-Castellanos et al.
Clinical, gut microbial and neural effects of a probiotic add-on therapy in depressed patients: A randomized controlled trial
Translational Psychiatry (2022), doi: 10.1038/s41398-022-01977-z