Mikroplastik führt zu Gefäßentzündung

29.11.2021 - Geraten Kunststoffpartikel ins Blut, so besteht die Gefahr, dass sich die Gefäßwand entzündet – das ergibt sich aus Experimenten einer Forschungsgruppe aus Marburg. Die Fachleute untersuchten erstmals, welche Wirkung Mikroplastik ausübt, wenn es in den Blutkreislauf gelangt.

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Die weltweite Kunststoffproduktion erreichte im Jahr 2019 einen Umfang von 368 Millionen Tonnen, rechnet der Weltverband der Plastikhersteller vor. Kunststoffe bieten zweifellos eine große Bandbreite an Verwendungsmöglichkeiten zu geringen Kosten, konzedieren die Studien-Autorinnen und -Autoren. Ein großer Teil des Materials gelange jedoch in die Umwelt. Was passiert, wenn Lebewesen diese Substanzen aufnehmen, sei bislang nur in Ansätzen bekannt, so die Forscher*innen.

Plastikbecher, CD-Hüllen und andere Verpackungen, Dämmstoffe und Bauschaum: Polystyrol ist eines der vier häufigsten Plastikmaterialien. Kunststoffpartikel unter fünf Millimeter Größe, also Mikroplastik, hat man an Küsten und in Ozeanen entdeckt, aber auch in Meerestieren wie Muscheln und Fisch. Selbst in menschlichen Ausscheidungen wurde schon Mikroplastik nachgewiesen.

Trotzdem weiß man kaum etwas über die Effekte auf die menschliche Gesundheit. Wie wirkt Mikroplastik auf Immunzellen und die Blutgefäße? Um das herauszufinden, führten die Wissenschaftler zunächst Experimente an Zellkulturen durch, deren Kulturmedium mit Polystyrolpartikeln versetzt wurde. Wenn das geschieht, bilden Zellen aus der Gefäßwand vermehrt Rezeptoren zur Bindung von Immunzellen aus – die Folge: Immunzellen, die normalerweise einzeln im Blut schwimmen, setzen sich in großer Zahl an der Gefäßwand fest.

Die Immunzellen ihrerseits reagieren auf die Verabreichung von Mikroplastik, indem sie Entzündungsproteine freisetzen. Noch etwas fanden die Forscherinnen und Forscher heraus: Injiziert man Kunststoffpartikel in den Blutkreislauf von Mäusen, so reichert sich das Material in der Leber der Tiere an, die sich daraufhin akut entzündet.

Auch nach längerer Zeit finden sich im Blut einzelne Plastikpartikel und sogar Plastik-Anhäufungen, die von spezialisierten Immunzelllen aufgenommen wurden. Die Gefäßwand der Aorta weist außerdem erhöhte Entzündungswerte auf. Alles in allem zeigen die Ergebnisse erstmals, was Polystyrol-Mikroplastik im Blutkreislauf anrichten kann. Die Autoren schränken ein, dass sowohl die verabreichte, hohe Dosis als auch die direkte Injektion in die Blutbahn einem Extremfall entsprechen würden. Aber dafür würden Plastikteilchen in der Natur giftige Stoffe aufnehmen, die einen weitaus stärkeren Entzündungseffekt auslösen können als die sterilen Partikel, die das Forscherteam verwendete.

Das Team sieht Mikroplastik aufgrund der Ergebnisse als einen neuartigen Risikofaktor für Gefäßerkrankungen. Es hält daher eine allgemeine Risikobewertung für erforderlich.

Originalpublikation

AK Vlacil & al.: Polystyrene microplastic particles induce endothelial activation, PLOS ONE 2021, DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0260181

Quelle: Pressemitteilung der Philipps-Universität Marburg