Die ganze Nacht hat der kleine Jonas geschrien. Der schlimme Juckreiz hat ihn wieder so gequält. Nur wenige Monate nach der Geburt ging es los: entzündliche Pusteln erst an Kopf und Gesicht, später auch am Körper und an den Innenseiten von Armen und Beinen. Nässender, juckender, quälender Ausschlag, dann feine Schuppung und gelbbraune Krusten, die in ihrem Aussehen an angebrannte Milch erinnern und deshalb auch (insbesondere wenn sie auf dem Kopf und im Gesicht auftreten) als "Milchschorf“ bezeichnet werden. Seine Mutter ist selbst schon seit ihrer Jugend betroffen, hat seit Jahren Erfahrungen mit der Erkrankung – aber in diesen Momenten fühlt sie sich doch ganz hilflos. Was kann sie nur tun, um dem Kleinen zu helfen?
Was ist Neurodermitis?
Neurodermitis ist eine Erkrankung des sog. atopischen (mit Überempfindlichkeit assoziierten) Formenkreises. Sie wird auch als „Atopisches Ekzem" ,"Atopische Dermatitis" oder "Endogenes Ekzem" bezeichnet.
Die nicht ansteckende Erkrankung beginnt nicht selten schon im Säuglingsalter, betroffen sind also sowohl Kinder als auch Jugendliche und Erwachsene. Mit zunehmendem Alter kommt es häufig zu einer Besserung, so sind von den betroffenen Säuglingen ca. 70% bis zur Pubertät beschwerdefrei. Häufig tritt die Neurodermitis gemeinsam mit Allergien wie Heuschnupfen und allergischem Asthma auf.
Die chronisch wiederkehrende Entzündung der Haut tritt – abhängig vom Alter der Betroffenen – an den großen Gelenkbeugen (Ellenbogen, Handgelenke, Knie), am Schultergürtel und Kopf,
auf den Lidern oder im Bereich des Halses, Dekolletés und Nackens auf. Die betroffenen Hautareale sind relativ klar umschrieben und oftmals stark gerötet. Die Papeln oder Bläschen nässen, bilden Krusten und schuppen schließlich. (Gefährlich und unbedingt zu vermeiden sind Infektionen z.B. durch Bakterien oder Herpes-simplex-Viren, die durch das Aufkratzen des oftmals stark juckenden Ausschlags begünstigt werden!). Die Haut ist extrem empfindlich und in der Regel – ebenso wie die Haare – sehr trocken.
Die Betroffenen leiden zudem teilweise unter einer gelblichen Gesichtsfarbe, eingerissenen Mundwinkeln, trockenen Lippen oder Schrunden an den Ohrläppchen. Manchmal kommt es auch zu Haarausfall und der Vergröberung der Hautfelderung (Lichenifikartion). Das alles kann für die Betroffenen auch psychisch sehr belastend sein.
Ursachen
Die Ursachen für die Entstehung von Neurodermitis sind noch immer nicht ganz geklärt. Man weiß aber, dass eine erbliche Veranlagung und das Zusammenspiel mehrerer anderer Faktoren (z.B. Umweltfaktoren wie Nahrungsmittel, das Wetter, Kälte,
Heizungsluft, bestimmte Waschmittel oder besonders auch psychische Belastungen) zu einer allergischen (Über-)Reaktion des Immunsystems führen.
Neurodermitis ist nicht ansteckend!
Konventionelle Behandlung
Neurodermitis gilt zurzeit als nicht heilbar, aber die Beschwerden können abgemildert werden. Im Vordergrund steht die Versorgung der Haut mit ausreichend Fett und Feuchtigkeit. Zum Einsatz kommen Salben, Lotionen, Badezusätze und Shampoos, die z.B. Nachtkerzenöl, Harnstoff, Glycerin, Zink oder Teer enthalten, juckreizstillende, gerbstoffhaltige Präparate, bei schweren Schüben Kortison oder die Immunreaktion unterdrückende Medikamente, bei Infektionen ggf. Antibiotika (Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen) u.v.m.
Für Kinder gibt es Neurodermitis-Overalls mit integrierten Fäustlingen. Sie sollen ein Aufkratzen der entzündeten Hautareale und eine damit einhergehende erhöhte Gefahr von Infektionen verhindern. Auch die Balneo-Phototherapie, eine Kombinationstherapie aus Bädern mit anschließender Bestrahlung, wird von einigen Betroffenen als hilfreich empfunden.
Was können Heilpraktiker für Sie tun?
Neurodermitis ist eine chronische Erkrankung, deren Behandlungsziel v.a. in der Linderung des Hautausschlags, dem Erkennen und Vermeiden möglicher auslösender Faktoren und der Berücksichtigung auch seelischer Aspekte besteht. Ihrem ganzheitlichen Behandlungsansatz folgend, sehen Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker die Neurodermitis nicht isoliert als Erkrankung, sondern begreifen den erkrankten Menschen als Körper-Geist-Seele-Einheit, die es wieder in größtmögliche Balance zu bringen gilt. Dabei sind u. a. das ausführliche anamnestische Gespräch, Erfahrung und Einfühlungsvermögen wichtig. Vor allem, wenn Säuglinge und Kinder betroffen sind. Für sie ist die Erkrankung durch den permanenten starken Juckreiz ganz besonders quälend und somit auch für ihre Eltern besonders belastend.
Die Behandlung der Neurodermitis ist – von einigen grundlegenden Dingen wie der individuell abgestimmten Pflege der Haut abgesehen – ein Prozess, der oftmals eine jahrelange Leidensgeschichte mit einbeziehen muss. Ihre Heilpraktikerin oder Ihr Heilpraktiker nehmen sich die Zeit, die nötig ist, um die vielen individuellen Faktoren, die bei Ihnen oder Ihrem Kind einen Krankheitsschub auslösen können, mit Ihnen gemeinsam zu klären und ihnen bestmöglich zu begegnen. Daraus entsteht ein für Sie ganz speziell zugeschnittenes Therapiekonzept, das Ihnen ein größtmögliches Maß an Lebensqualität zurückgibt.
Ein Aspekt im Behandlungskonzept könnte z.B. sein, die Ernährung umzustellen und nach erfolgter Stuhlanalyse den Darm zu sanieren, beispielsweise mit Hilfe der mikrobiologische Therapie. Mittel der Homöopathie, Spagyrik oder Phytotherapie können in Frage kommen, um Entzündungen oder den nächtlichen Juckreiz zu lindern. Regulierend und umstimmend wirken Ab- und Ausleitungsverfahren. Eine Stärkung der Ausscheidungsorgane entlastet die Haut. Da Neurodermitis zudem häufig mit einer allgemeinen Allergieneigung des Körpers vergesellschaftet ist, orientiert sich das Therapiekonzept am Stadium der Erkrankung (akut oder symptomfrei), dem generellen Beschwerdebild und dem persönlichen Leidensdruck.
Insbesondere wenn Kinder von der Neurodermitis betroffen sind, kann das unter Umständen die ganze Familie belasten. Andererseits können Stress und Kummer der Eltern sich aber auch auf das Kind übertragen und somit Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung haben. Im Rahmen eines ganzheitlichen Therapieansatzes mag es daher sinnvoll erscheinen, auch den engen familiären sozial-emotionalen Verbindungen und Familiendynamiken Beachtung zu schenken und - falls nötig- hier unterstützend therapeutisch zu wirken.
Alle diese Möglichkeiten stehen hier jedoch nur beispielhaft für die vielen Methoden, die Ihrer Heilpraktikerin oder Ihrem Heilpraktiker zur Verfügung stehen. Die richtige Auswahl ist ein individueller Prozess, der Sie als Person mit Ihren persönlichen Voraussetzungen und Wünschen in die Therapie mit einbezieht. Ein solcher ganzheitlicher Ansatz sieht den Menschen als Einheit von Körper, Geist und Seele. Alle diese seine Teile sind miteinander verbunden, stehen miteinander in Kommunikation und wollen im Sinne einer umfassenden Behandlung gesehen werden.
Dafür bieten die Naturheilkunde und die komplementäre Medizin über die bereits genannten Verfahren hinaus weitere an, die auch in Kombination miteinander hilfreich sein können. So z. B. (alphabetisch):
- Biochemie nach Schüssler
- Darmsarnierung
- Eigenurintherapie
- Fußreflexzonen-Therapie
- Gemmotherapie
- Neuraltherapeutische und segmentgezielte Injektionen
- Orthomolekulare Therapie
- Psychotherapie
- u. a.
Wenn Sie oder Ihr Kind unter Neurodermitis leiden, sprechen Sie vertrauensvoll mit Ihrer Heilpraktikerin oder Ihrem Heilpraktiker – sie nehmen sich gerne für Sie Zeit. Sollten Sie sich besonders für bestimmte Therapien interessieren, hilft Ihnen die BDH-Therapeutensuche dabei, eine Praxis in Ihrer Nähe zu finden.
Was können Sie selber tun?
Seien Sie sanft zu ihrer Haut! Chlorhaltiges Wasser, alkalische Seifen, Schaumbäder etc. sollten tabu sein. Verwenden Sie stattdessen spezielle Pflegeprodukte z.B. mit Harnstoff (Urea) o.ä. Im akut entzündlichen Stadium können kühlende Anwendungen wohltuend sein, soweit verträglich z.B. mit Beinwell, Leinsaat oder Quark. Im chronischen, nicht entzündlichen Stadium können Öl- bzw. Kleiebäder oder Einreibungen mit Eigenurin helfen (Heilpraktiker beraten Sie auch hierzu).
In einigen Fällen ist die Umstellung der Ernährung sinnvoll. Hierzu fragen Sie bitte Ihre Heilpraktikerin oder Ihren Heilpraktiker.
Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme und tragen Sie nach Möglichkeit Kleidung aus atmungsaktiven Stoffen, Wolle löst oft Juckreiz aus. Und achten Sie in Wohnräumen auf eine Luftfeuchtigkeit von mind. 55%, um die Haut nicht noch zusätzlich auszutrocknen.
Versuchen Sie, geduldig und liebevoll mit sich zu sein. Auch wenn die Erkrankung mit zunehmendem Lebensalter häufig schwächer wird, bleibt Ihre Haut wahrscheinlich auch dann empfindlich und trocken. Da Stress und Ärger die Hautreaktionen bei vielen Betroffenen auslösen oder verschlimmern können, die Neurodermitis selbst jedoch auch zu Stress führen kann, sorgen Sie unbedingt für ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen Arbeit und Ruhe. Lernen Sie Methoden, die die Entspannung fördern wie z. B. Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training, Tai Qi oder Qi Gong. Auch regelmäßige Bewegung an frischer Luft kann dazu dienen, innere Spannungen abzubauen und so positive Aspekte zu begünstigen.
Helfen kann auch der Kontakt zu anderen Betroffenen, z. B. über Bundesverband Neurodermitis e. V. oder Deutscher Allergie- und Asthmabund e. V.
Autoren und Redaktion
Autorin: Kirsten Buschmann, Heilpraktikerin
Redaktion: Ulrich Sümper, Heilpraktiker
Beratung durch
Anita Sprenger-Witte, Heilpraktikerin
Franz-Claas-Straße 6a
33428 Harsewinkel
Tel. 05247 - 40 64 07
Diese Gesundheitsinformation wurde am 15.07.2022 erstellt und wird regelmäßig aktualisiert.