Der therapeutische Einsatz von Blutegeln (Hirudo medicinalis officinalis) gehört zu den ältesten dokumentierten naturheilkundlichen Ausleitungsverfahren. Dies sind Verfahren, die durch Schaffung einer künstlichen Öffnung dazu beitragen, dass der Körper schädigende Stoffe ausschwemmen kann. In Europa erstmals um 200 v. Chr. erwähnt, erlebt die Methode derzeit eine Renaissance in Heilpraktikerpraxen, aber auch in der Chirurgie.
Das Wirkspektrum des Blutegels ist breit gefächert und hat ihm den Beinamen „lebendige Medizin“ eingebracht. Es beruht im Wesentlichen auf zwei Faktoren: Zum einen kommt der geringe Blutverlust (s. u.) einem sanften Aderlass gleich. Er führt zu einer lokalen Entstauung des Gewebes, wirkt blutverdünnend, entzündungshemmend und leitet Toxine und Stoffwechselprodukte aus. Zum anderen finden sich im Speichel des Blutegels über 20 verschiedene Substanzen unterschiedlichster Wirkung und Wechselwirkung, darunter die Blutgerinnungshemmer Hirudin und Calin sowie das schmerzstillende und entzündungshemmende Eglin.
Zusammenfassend wirkt die Blutegel-Therapie
- gerinnungshemmend und ausleitend
- lymphstrombeschleunigend und entschlackend
- blutverdünnend und antithrombotisch
- indirekt immunstärkend
- gefäßkrampflösend und schmerzstillend
Die Wirksamkeit einer Blutegel-Behandlung bei bestimmten Krankheitsbildern liegt in wissenschaftlichen Studien (s. u.) vor. Studien gibt es auch von der RWTH Aachen oder am Lehrstuhl für Naturheilkunde der Universität Duisburg-Essen.
Anwendung
Die in der Naturheilpraxis verwendeten Blutegel werden speziell für medizinische Zwecke unter strengen hygienischen Voraussetzungen gezüchtet. Jeder Egel wird nur ein einziges Mal angesetzt, so dass die Übertragung von Infektionen sicher vermieden wird.
Abhängig von der Erkrankung und der Größe des zu behandelnden Gebiets kommen 2 bis max. 12 Egel zum Einsatz. Die ca. 2 bis 4 cm langen Egel werden direkt auf die gereinigte Haut gesetzt, der Biss ist dank eines im Speichel enthaltenen Schmerzmittels i. d. R. schmerzarm. Die Egel fallen von alleine wieder ab, wenn sie sich vollgesogen haben. Das kann zwischen 10 und 120 Min. dauern, der Blutverlust pro Egel beträgt ca. 10 ml.
Im Anschluss an die Behandlung kommt es zu einer therapeutisch gewünschten Nachblutung. Die Stärke der Nachblutung ist individuell verschieden (ca. 20-40 ml je Bissstelle) und kann bis zu vier Stunden dauern. Die Wunde wird ggf. mit einem (Druck-)Verband versorgt, der je nach Stärke der Nachblutung regelmäßig gewechselt werden muss. Nach längstens einer Woche ist die Wunde verheilt.
Die Häufigkeit der Anwendung richtet sich nach dem Therapieerfolg, der sich oft schon nach der ersten Anwendung einstellt. Frühestens nach vier Wochen kann an der behandelten Stelle eine erneute Behandlung erfolgen.
Anwendungsbeispiele (alphabetisch)
- Augenerkrankungen wie z. B. Alters-Katarakt (Grauer Star), chronisches Glaukom (Grüner Star)
- Entzündliche Erkrankungen wie z. B. chronische Otitis Media (Mittelohrentzündung), chronische Sinusitis (Nasenebenhöhlenentzündung)
- Gelenkerkrankungen wie z. B. akuter Gichtanfall, rheumatische Erkrankungen, Distorsion (Zerrung)
- Lokale Infektionen wie z. B. Furunkel (Entzündung eines Haarbalgs), Karbunkel (Entzündung mehrerer Furunkel)
- Venöse Erkrankungen wie z. B. akute Thrombophlebitis (oberflächliche Venenentzündung), Hämorrhoiden, postthrombotisches Syndrom (chronische Haut- und/oder Venenveränderung bei Krampfaderleiden) venöse Störung ), Ulcus cruris („offenes Bein“), Varikose (Krampfaderleiden)
Gegenanzeigen/Kontraindikationen, Nebenwirkungen und Risiken
Die Blutegel-Therapie ist nicht geeignet für Patienten, die blutverdünnende Medikamente (z. B. Marcumar, ASS) nehmen, bei arteriellen Verschlusskrankheiten (z. B. „Schaufensterkrankheit“, „Raucherbein“), Blutungsneigung (z. B. Bluterkrankheit), ausgeprägte Wundheilungsstörungen bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Hauterkrankungen im Bereich des zu behandelnden Gebiets, bei Lebererkrankungen mit herabgesetzter Blutgerinnung (z. B. Leberzirrhose), starker Anämie (Blutarmut) und vor Operationen bzw. einigen Zahnbehandlungen, erheblicher Immunschwäche (AIDS, Chemotherapie), langjährige Dialyse bei Nierenerkrankungen, akute Magen- oder Darmgeschwüre.
Relative Kontraindikation:
Bei Neigung zu überschießender Narbenbildung (Keloid) Anwendung an sichtbaren Körperstellen. Aspirin sollte ca 3-5 Tage vor der Behandlung abgesetzt werden.
Der Biss eines Blutegels ist in der Regel schmerzarm, es kann aber zu – therapeutisch erwünschten – Nachblutungen kommen, die einige Zeit andauern können (s. o.). An der Bissstelle kann längere Zeit eine kleine Narbe zurückbleiben. In seltenen Fällen treten örtlich begrenzte allergische Reaktionen auf (Rötung, Juckreiz). Ein Erysipel (Wundrose) oder eine Entzündung nach dem Biss sind sehr selten.
Kosten
Die Kosten sind individuell unterschiedlich und richten sich z. B. nach der Zahl der angewendeten medizinischen Blutegel. Auch darüber berät Ihr Heilpraktiker Sie gerne.
Autoren, Redaktion und Beratung
Autorin: Kirsten Buschmann, Heilpraktikerin
Redaktion: Elvira Bierbach, Heilpraktikerin; Ulrich Sümper, Heilpraktiker
Beratung durch:
Gisela Dreismickenbecker, Heilpraktikerin
Zum Buschhof 4
33415 Verl (OT Kaunitz)
giseladreismickenbecker@web.de
Weiterführende Literatur
- Kaehler Schweizer, D.; Westendorff, M.: Die Blutegeltherapie: Wissenswertes für Patienten zur Hirudotherapie. Ein kleiner Wurm mit großer Wirkung. 3. Aufl., Narayana Verlag, Kandern 2019
- Michalsen, Andreas u. Roth, Manfred.: Blutegeltherapie. 3. Aufl., Haug, MVS Medizinverlage, Stuttgart 2012 (Stand 2022: Keine Neuauflage verfügbar)
- Moser, Claudia u. Moser, Karla.: So hilft Ihnen die Blutegel-Therapie. Asenhain Verlag, Schorndorf 2015
Informationen zu wissenschaftlichen Studien und anderen Quellen z. B. unter
https://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-24119/Diss_Afra.pdf
(Randomisierte kontrollierte Studie zur Wirksamkeit der Blutegeltherapie bei symptomatischer Epicondylitis lateralis humeri) 2009
Adressen
Gesellschaft für Gesundheitsberatung (GGB) e.V.
Dr.-Max-Otto-Bruker-Straße 3
56112 Lahnstein
info@ggb-lahnstein.de
www.ggb-lahnstein.de
Diese Gesundheitsinformation wurde am 11.08.2022 erstellt und wird regelmäßig aktualisiert.