Kira Walkenhorst zu Gast auf dem Dortmunder Naturheilkundetag – Interview mit Olympiasiegerin

© Frank Horstmöller/BDH

Gabriele Müller: Sie waren 2017 auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere. Doch Anfang 2019 haben Sie sich aus dem Profisport aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen. Was hat zu diesem Schritt geführt?

Kira Walkenhorst: Letztlich hatte ich schon in den Jahren 2016 und 2017, als ich die großen Erfolge gefeiert habe, mit sehr schweren körperlichen Problemen zu kämpfen. Die größte Herausforderung war der fortgesetzte Kampf mit Schmerzen und der Versuch dagegen anzugehen. Meine Schulter, meine Knie und meine Hüfte waren kaputt. Ich hatte während der ganzen aktiven Zeit zehn Operationen. Entscheidend war dann, dass mir immer wieder eine Rippe raus sprang. Zuletzt lag ich acht Wochen flach und konnte nicht einmal mehr richtig einatmen, sitzen oder liegen. Ich war täglich bei Ärzten und Physiotherapeuten. Doch die konnten mir nicht helfen. Das hat mir schwer zu schaffen gemacht. Ich wusste, irgendetwas stimmt nicht, ich konnte mich nicht bewegen, geschweige denn an Sport denken, aber niemand konnte mir das erklären. Ich musste eine Entscheidung treffen und wusste: Das war es jetzt für mich. Mein Körper will nicht mehr!

Elvira Bierbach: Sie mussten so viel aushalten, die Schmerzen, die Ängste um Verletzungen und den Druck der Öffentlichkeit. Wie schafft man so etwas?

Kira Walkenhorst: Ich glaube, der eigene Wille hat eine sehr große Rolle gespielt. Natürlich auch unser medizinisches Umfeld, das mich in den letzten Jahren bestmöglich unterstützt hat. Aber es war auch eine große Eigendisziplin notwendig. Schmerzen gehörten im aktiven Profisport für mich einfach dazu und ich habe gelernt, damit umzugehen.

Elvira Bierbach: Bei all den gesundheitlichen Problemen haben die letzten Jahre privat auch einige schöne Ereignisse für Sie beinhaltet. Wollen Sie uns darüber etwas erzählen?

Kira Walkenhorst: Wir haben 2018 Drillinge bekommen, die mich auch in dem Jahr, in dem ich keinen Sport treiben konnte, ordentlich auf Trapp gehalten haben. So richtig zu Ruhe gekommen bin ich in der Zeit also nicht. Aber eigentlich kamen die Drei zum richtigen Zeitpunkt. Denn ich musste den Sport, also bis dato meinen Lebensmittelpunkt aufgeben, hatte dann aber eine andere Aufgabe, für die ich wieder hundertprozentig da sein konnte.

Gabriele Müller: Das Jahr 2019 endete mit der Nachricht, Sie kehren in den Profisport zurück. Sind Sie wirklich wieder beschwerdefrei? Und wie haben Sie das erreicht?

Kira Walkenhorst: Nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, einen Schlussstrich unter den Profisport zu ziehen, hatte ich überhaupt keine Lust, den Problemen weiter auf den Grund zu gehen. Ich war fünf Monate bei keinem Arzt oder Physiotherapeuten. Bis dann mein Manager meinte, er kenne einen wirklich guten Heilpraktiker in Essen. So kam es, dass ich Herrn Tennie aufgesucht habe. Die Ärzte hatten mir vorher alle erklärt, ich sei gesund und da sei nichts. Ich wusste aber, irgendetwas stimmt nicht. Als ich dann bei Herrn Tennie gewesen bin, hatte ich das erste Mal wieder etwas in der Hand. Ich bin aus der Praxis gegangen und hatte das Gefühl, das kann wieder etwas werden – vielleicht klappt es ja sogar wieder mit dem Sport und ich kann schmerzfrei durch den Alltag kommen.

Gabriele Müller: Und wie hat Herr Tennie Sie therapiert? Wie haben Sie die Therapie erlebt?

Kira Walkenhorst: Ich muss vorweg sagen, dass unser Mannschaftsarzt auch kinesiologisch arbeitet und ich für andere Ansätze als die klassische Schulmedizin sehr offen bin.
Als ich das erste Mal zu Herrn Tennie kam, wollte er erst einmal gar nicht viel von mir hören. Stattdessen hat er in meine Augen geschaut. Ich glaube, man nennt das Verfahren Irisdiagnostik. Dabei hat er wohl einige Hinweise entdeckt, die er mit mir besprochen hat. Dazu zählte das Pfeiffersche Drüsenfieber. Da habe ich so bei mir gedacht, das hätte er auch in der Zeitung lesen können, denn die Medien hatten darüber berichtet. Doch dann ging es weiter mit Tinnitus, Bauchschmerzen und Kopfschmerzen, alles Themen, von denen nur meine Frau wusste. Das konnte er also definitiv nicht aus der Presse erfahren haben. Nach weiteren Testverfahren, einem Stuhltest und Blutproben, stellte sich heraus, dass bei mir offensichtlich das Pfeiffersche Drüsenfieber und eine Störung der Darmflora mein Immunsystem geschwächt haben. Ich musste dann eine ziemliche Anzahl an Medikamenten nehmen. Aber ich habe Woche für Woche gemerkt, wie es mir besser geht. Ich konnte wieder schmerzfrei meine Kinder aus dem Bett heben. Für mich waren das riesige Fortschritte. Wichtig war, dass ich gemerkt haben, die Therapie schlägt an und ich bin auf einem sehr guten Weg.

Gabriele Müller: Sie waren also nicht skeptisch, sondern sind in die Behandlung gegangen und haben geschaut, was das mit Ihnen macht?

Kira Walkenhorst: Meine Offenheit hat überwogen. Und ich denke: „Wer heilt hat recht! Ob mir die Schul- oder die Komplementärmedizin hilft, ist für mich zweitrangig. Ich möchte wieder gesund werden. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass Herr Tennie mir so helfen konnte.

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Elvira Bierbach: Herr Tennie, was dachten Sie als Frau Walkenhorst zu Ihnen kam und welchen Eindruck hatten Sie von ihr?

Roland Tennie: Alle Patienten werden erst einmal von Grund auf untersucht. Bei Frau Walkenhorst war das also nicht anders. Ich wusste lediglich von ihrem Manager, dass ein Ausstieg aus dem Profisport stattgefunden hatte. Ich habe sie untersucht und so sind wir zu den Diagnosen gekommen, die erklären, warum sie die Schmerzen hat und warum sie überhaupt in diesem Zustand ist. Es war klar, dass wir keine Schmerztherapie anstrebten, sondern eine Therapie, die die Selbstheilungskräfte fördert. Wir hatten einen ganzheitlichen Therapieansatz im Blick. Das Ziel war, ihre Selbstheilungskräfte so zu aktivieren, dass sie wieder ein normales und aktives Leben führen kann.

Elvira Bierbach: Wie haben Sie denn den körperlichen Zustand von Frau Walkenhorst wahrgenommen?

Roland Tennie: Es lagen bei der Irisdiagnose einige Defektzeichen vor, der Körper machte einen ausgelaugten Eindruck und war erschöpft. Neben den Schmerzen waren ihre große Müdigkeit und Antriebsarmut ein Thema. Ich fand es ein eindrückliches Bild. Ich habe gedacht: So jung und in diesem Zustand – das muss nicht sein!

Elvira Bierbach: Verraten Sie uns doch bitte, welche naturheilkundlichen und schulmedizinischen Diagnosemethoden Sie angewandt haben.

Roland Tennie: Grundsätzlich mache ich erst einmal eine Irisdiagnose, wenn ein Patient das erste Mal in die Praxis kommt. Daran erkenne ich die Richtung, in die es geht. Bei Frau Walkenhorst war es so, dass ich Hinweise auf eine Darmschwäche erkannte, die Muskulatur war in einem schlechten Zustand, man sah die Erschöpfung und einen sehr starken Mineralstoff-Mangel. Also unterschiedliche Faktoren, die erklärten, dass sie in diesem Zustand mit den vielen Schmerzen war. Wir haben dann einen Vegacheck und Akupunktur nach Dr. Voll durchgeführt und es zeigte sich, dass der Epstein-Barr-Virus im Hintergrund noch einen Rolle spielte. Bei der mikrobiologischen Analyse des Stuhls haben wir eine Störung der Darmflora sowie einen massiven Candida-Befall festgestellt. Ihre Selbstheilungskräfte waren massiv gestört.

Elvira Bierbach: Hatten Sie ein Gefühl, wie lange die Therapie dauern könnte?

Roland Tennie: Wir haben im März 2019 unser erstes Gespräch geführt und ich hatte das Gefühl, dass wir im August desselben Jahres mit ersten Ergebnissen rechnen könnten. Das ging dann aber bei ihr schneller. Wir waren nach drei Monaten schon da, wo ich eigentlich nach einem halben Jahr sein wollte.

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Elvira Bierbach: Was haben Sie in diesen drei Monaten therapeutisch gemacht?

Roland Tennie: Wir haben zunächst eine allgemeine Umstimmungstherapie gemacht mit homöopathischen Komplexarzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und mit Kombinationen u.a. aus Weihrauch, Curcumin und Omega-3-Fettsäuren und Süßholz. Dann haben wir den Darm gründlich saniert. Sie hatte zeitweise eine halbe Apotheke zu Hause.

Kira Walkenhorst: Woran ich mich noch gut erinnere: Ich durfte in der Zeit keine Schokolade essen. Und zwar ganz schön lange. Das war für mich das Härteste.

Roland Tennie: Genau, Patienten mit einer Candida-albicans-Belastung rate ich, nicht nach Internetdiäten zu googeln und keine Extremdiäten zu machen. Das macht den Pilz nur noch aggressiver und schlimmer. Ich rate aber, auf Schokolade und Süßigkeiten zu verzichten. Da trifft man oft ins Schwarze. Leicht ist das für die Betroffenen nicht. Aber bei einer ganzheitlichen Behandlung ist das Verzichten manchmal ein Bestandteil der Therapie.

Elvira Bierbach: Frau Walkenhorst ist ja nicht in Essen sondern in Hamburg. Das ist nicht gerade um die Ecke. Wie haben Sie die Distanz überwunden?

Kira Walkenhorst: Ich war ganz am Anfang in Essen, danach haben wir wöchentlich telefoniert und haben uns darüber ausgetauscht, wie ich mich fühle und wie die Therapie angepasst werden kann. Während der Therapiezeit war ich dann insgesamt dreimal in Essen zu Kontrollterminen.

Elvira Bierbach: Herr Tennie, wie war denn Frau Walkenhorst als Patientin?

Roland Tennie: Ich fand sie sehr diszipliniert, wodurch sie schnelle Fortschritte erzielte, die mich zum Teil selber erstaunt haben. Ich habe erlebt, wie sie mental immer stärker wurde. Die Telefonate wurden entspannter, lustiger und auch immer kürzer.

Elvira Bierbach: Wie ist Ihre Prognose? Können wir Frau Walkenhorst bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris anfeuern?

Roland Tennie: Aus medizinischer Sicht sehe ich da keine Probleme. Ich bin zuversichtlich, dass sie das gesundheitlich schaffen wird und sie ihre frühere Leistung zurückbekommt.

Elvira Bierbach: Frau Walkenhorst, wann haben Sie das erste Mal gedacht, dass das mit dem Profisport wieder etwas geben könnte?

Kira Walkenhorst: Als ich nach drei Wochen gemerkt habe, dass es mir besser ging und ich den Alltag besser meistern konnte, da wuchs auch schon die Vision, ich könnte zurück in den Sport.

Elvira Bierbach: Glauben Sie, dass die Therapie auch geholfen hätte, wenn Sie nicht so diszipliniert gewesen wären?

Kira Walkenhorst: Ich glaube schon, dass das auch geholfen hätte, aber vermutlich hätte es alles etwas länger gedauert.

Gabriele Müller: Sie müssen im Sport auch mit Rückschlägen umgehen. Wie machen Sie das?

Kira Walkenhorst: Mein Motto ist: Immer einmal mehr aufstehen, als umfallen. Für mich war immer klar, dass man im Leistungssport ständig an die eigenen Grenzen stößt. Ich bin dabei aber wohl häufig über die Grenze getreten und hatte dadurch auch mehr Rückschläge, als üblicherweise im Leistungssport dazu gehören. Zehn Operationen und Pfeiffersches Drüsenfieber hätten nicht unbedingt sein müssen. Aber für mich war das Ziel klar: Ich will 2016 in Rio bei den Olympischen Spielen dabei sein und bestenfalls eine Medaille gewinnen. Dann gehört es auch dazu, nach Rückschlägen nicht aufzugeben.

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Gabriele Müller. Sie müssen mitunter auch mit Ablehnung umgehen. Was machen Sie in solchen Momenten?

Kira Walkenhorst: Ich hatte ja schon unsere Sportpsychologin erwähnt, mit der wir viel mental erarbeiten. Sie hat uns auf solche Situationen vorbereitet. In Brasilien war es so, dass wir im Halbfinale und im Finale gegen Brasilien gespielt haben. Bei den Brasilianern ist die Kultur so, dass sie ihr Team unterstützen, indem sie das gegnerische Team ausbuhen. Bei fast 10.000 Besucher*innen, davon nur 50 Deutsche, ist so ein Buhen ziemlich laut. Erst als wir geführt haben, wurden die Brasilianer immer leiser und wir konnten die Deutschen hören, was echt schön war. Aber vorher mussten wir das Buhen ausblenden, was wir über unsere fünf Sinne gesteuert haben. Wir Menschen können nicht alle Sinne gleichzeitig voll nutzen. Wenn wir uns auf einen Sinn fokussieren, verblassen die anderen. Deshalb haben wir Sand in die Hand genommen oder auch den Ball ganz bewusst angefasst. So konnten wir über das Fühlen das Hören etwas ausblenden. Das heißt, wir haben unseren Fokus woanders hingelenkt. Erst als wir geführt haben, haben wir das Hören wieder zugelassen und die Deutschen Fans gerne wahrgenommen.

Gabriele Müller: Sie stehen immer unter einer gewissen medialen Beobachtung mit einem ziemlichen Erwartungsdruck. Haben Sie auch hier Techniken entwickelt, damit umzugehen?

Kira Walkenhorst: In wichtigen Phasen kommunizieren wir nach Innen im Team ganz offen, auch unsere Probleme. Nach außen hin schirmen wir uns komplett ab und blenden alles Unangenehme aus. Wir lesen keine Zeitung, blockieren die Social-Media-Kanäle und schotten uns ab. Darüber hinaus fokussieren wir uns auf das, was wir können und erreichen wollen.

Gabriele Müller: Ich weiß nicht, wieweit Sie in der Presse verfolgen, dass der Heilpraktikerberuf in den Medien zunehmend und zum Teil sehr unfair kritisiert wird. Das zehrt natürlich an den Nerven der Kolleg*innen. Lassen sich Ihre Techniken übertragen?

Kira Walkenhorst: Schwierig zu sagen, ob man das so eins zu eins übertragen kann. Aber letztlich sind das Techniken, die man jederzeit anwenden kann. Ich verwende sie nicht nur auf dem Feld, sondern auch im Alltag. Ich denke, man kann sich auch in dieser Situation auf das fokussieren, was man einerseits erreichen möchte und auch auf das, was man kann. Bei Kritik und Rückschlägen muss man wieder aufstehen und weiter kämpfen. In meinem Fall hat sich das wirklich gelohnt und daher kann ich das auch nur jedem anderen weiterempfehlen.

Frau Walkenhorst wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.

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