Pandemie und Psyche: Mehr Antidepressiva für Mädchen

05.09.2022 – In der Corona-Pandemie zeigen sich weiter massive Gesundheitsfolgen bei Kindern und Jugendlichen. Nach einer neuen Analyse der DAK-Gesundheit für die Jahre 2018 bis 2021 gingen Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und Arzneimittelverschreibungen in 2021 insgesamt zurück. Dagegen stiegen einzelne Diagnosen wie Depressionen, Essstörungen, Angststörungen und Adipositas teilweise dramatisch an.

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Für die repräsentative Analyse des Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit wurden ambulante und stationäre Behandlungsdaten von 782.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren, die bei der Krankenkasse versichert sind, wissenschaftlich untersucht und mit der Situation vor der Pandemie verglichen. Analysiert wurden die Jahre 2018 bis 2021.

Im zweiten Corona-Jahr kamen insgesamt weniger Kinder und Jugendliche in deutsche Arztpraxen und Krankenhäuser als vor der Pandemie. So gingen 2021 Arztbesuche um vier Prozent und Krankenhausaufenthalte um 18 Prozent im Vergleich zu 2019 zurück. Besonders große Rückgänge bei Arztbesuchen oder Krankenhausaufenthalten gab es bei Infektionskrankheiten (-36 %) und Atemwegserkrankungen (-22 %). 2021 bekamen auch zwölf Prozent weniger Kinder- und Jugendliche Arzneimittel als in der Vor-Corona-Zeit verschrieben. Die Zahl der verordneten Antibiotika sank 2021 im Vergleich um 43 Prozent. Besonderheiten gab es bei psychischen und Verhaltensstörungen: Insgesamt gingen die Behandlungszahlen um fünf Prozent zurück.

Gleichzeitig stiegen einzelne psychische Erkrankungen in bestimmten Altersgruppen deutlich an. So wurden 54 Prozent mehr Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren aufgrund von Essstörungen behandelt. Bei Angststörungen gab es bei jugendlichen Mädchen ein Plus von 24 Prozent. In der Gruppe der 10- bis 14-jährigen Mädchen stieg die Depressions-Neuerkrankungsrate um 23 Prozent.

Depressionen: Große Unterschiede bei Mädchen und Jungen
Mädchen und Jungen litten unterschiedlich in der Pandemie. Das zeigt das Beispiel Depressionen: So stiegen 2021 die Behandlungszahlen von 15- bis 17-jährigen Mädchen um 18 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Bei den 10- bis 14-Jährigen waren es sogar 23 Prozent. Bei Jungen hingegen sank die Depressions-Neuerkrankungsrate bei Schulkindern (10–14 Jahre) um 17 Prozent und bei Jugendlichen (15–17 Jahre) um 15 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Essstörungen und Angststörungen: Während bei jugendlichen Mädchen die Behandlungszahlen deutlich zunahmen, sanken sie bei Jungen.

„Explosionsartiger“ Anstieg bei Antidepressiva

Die an einer Depression neu erkrankten Teenager-Mädchen bekamen deutlich häufiger Medikamente. So stieg der Anteil der 15- bis 17-jährigen Mädchen mit einer Antidepressiva-Behandlung 2021 um 65 Prozent im Vergleich zu 2019. Fast jedes sechste 15- bis 17-jährige Mädchen, das 2021 neu an Depressionen erkrankte, bekam Medikamente verschrieben (14,4 %). Auch im Falle der medikamentösen Behandlung von Essstörungen (+75 %) und Angststörungen (+19 %) gingen die Zahlen 2021 im Vergleich zu 2019 bei jugendlichen Mädchen stark nach oben. Offensichtlich müssen die Versorgungsstrukturen für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche verbessert werden.

Adipositas-Anstieg bei Grundschulkindern

In der Altersgruppe der 5¬9-Jährigen stiegen die Adipositas-Zahlen insgesamt an: Im Vergleich zum Vor-Pandemie-Zeitraum erhielten 14 Prozent mehr Grundschulkinder 2021 die Diagnose Adipositas. Dabei fällt die Zunahme bei Jungen etwas stärker aus als bei Mädchen. In der Altersklasse der 15- bis 17-Jährigen ist der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen ausgeprägter: So nahmen 2021 die Neuerkrankungen bei den 15- bis 17-jährigen männlichen Jugendlichen im Vergleich zu 2019 um 15 Prozent zu. Bei den Mädchen war es ein Plus von sechs Prozent.

Sozio-ökonomische Komponente

Erstmals untersuchte der Kinder- und Jugendreport auch den Einfluss des sozio-ökonomischen Familienstatus auf die Gesundheit und Gesundheitsversorgung. Das Ergebnis: Jungen aus sozial schwachen Familien hatten 2021 ein deutlich erhöhtes Risiko, neu an Adipositas zu erkranken (15- bis 17-Jährige: +62 % gegenüber Jungen mit hohem sozialem Status). Vor der Pandemie war dieses Risiko deutlich niedriger ausgeprägt (+21 %).

Statistisch signifikant ist, dass Depressionen in der Altersklasse der 15- bis 17-jährigen Mädchen aus Familien mit einem hohen sozio-ökonomischen Status zu 19 % häufiger gegenüber den gleichaltrigen Mädchen mit einem niedrigen Status auftreten.

Tiefer gehende Informationen über den Kinder- und Jugendreport finden Sie hier.