Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht des Bundesministeriums für Gesundheit ist veröffentlicht

01.06.2021 - Das vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebene Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht, das der Fachanwalt Professor Christof Stock erstellt hat, liegt jetzt vor. Ähnlich wie auch schon der vom BDH beauftragte Gutachter Professor Helge Sodan kommt Professor Stock zu dem Ergebnis, dass es für die Abschaffung des Heilpraktikerberufs derzeit weder eine ausreichende Tatsachen- noch eine Rechtsgrundlage gäbe.

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Umfassendes Gutachten zum Heilpraktikerrecht

Das Bundesministerium für Gesundheit hatte 2019 das Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um zu klären, welchen rechtlichen Gestaltungsspielraum der Bundesgesetzgeber im Falle einer Reform des Heilpraktikerrechts hätte. Das Gutachten ist nun erschienen und unter folgenden Link abrufbar.

Das mehr als 300 Seiten umfassende Gutachten beleuchtet die Thematik sehr ausführlich. Es analysiert Hintergründe, wie die Geschichte des Berufsstands, den Heilkundebegriff, den Begriff der Alternativmedizin und den derzeitigen rechtlichen Status Quo auch in Hinblick auf den sektoralen Heilpraktiker. Darüber hinaus zeigt es rechtliche Möglichkeiten auf, wie nach Einschätzung von Prof. Stock das Heilpraktikerrecht und -wesen verändert werden könnte. Stock führt an, dass für seine Analyse die entscheidenden Maßstäbe das Verfassungsrecht, speziell die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Leben, das Selbstbestimmungsrecht und nicht zuletzt die Berufsfreiheit gewesen seien.

Abschaffung des Heilpraktikerberufs ist keine Option

Die gute Botschaft vorweg: Professor Stock teilt die Ansicht des BDH-Gutachters Professor Helge Sodan, dass für die Abschaffung des Heilpraktikerberufs derzeit keine rechtliche Grundlage existiere.Eine Abschaffung des Berufs würde einen massiven Eingriff in die Berufswahlfreiheit bedeuten, „der nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut und nur dann in Betracht käme, wenn keine anderen, milderen Mittel der Gefahrenbeseitigung in Betracht kämen“. Derartige Umstände lägen nicht vor.

Auch könne keine Gefährdung der Sicherheit der Patienten nachgewiesen werden, die ja in der Diskussion um den Berufsstand immer wieder von den Kritikern angeführt wird. Professor Stock, wie schon Professor Sodan, kann keine Zunahme von Haftungsfällen zivil- oder strafrechtlicher Art durch Heilpraktiker*innen erkennen, die zu einer Neuregelung des Berufs zwingen würden. Es würden nur wenige Einzelfälle vorliegen, die keine generelle Aussage zur allgemeinen haftungsrechtlichen Situation erlaube. Interessant ist sein Ansatz, die juris-Datenbank mit insgesamt über 1,5 Millionen Entscheidungen zu allen Rechtsgebieten zu durchsuchen. Bei dieser Suche zum Stichwort „Heilpraktikererlaubnis“ seien nur 360 Entscheidungen aufgetaucht, bei denen es ganz überwiegend um Fragen der Erlaubniserteilung, um Wettbewerbsverstöße und um strafbare Tätigkeiten ohne Erlaubnis gehe. Die niedrige Zahl zivil- oder strafrechtlicher Haftungsfälle von Heilpraktiker*innen würde eher gegen eine Nachbesserungsverpflichtung des Gesetzgebers sprechen als für eine solche. Außerdem ist er der Überzeugung: „Der staatliche Auftrag, für die Gesundheit der Bevölkerung zu sorgen, reicht nur bis zu einer Grundversorgung, von der die Alternativheilkunde und die Leistungen der Heilpraktiker*innen ausgeschlossen sind.“

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Änderung des Heilpraktikergesetzes aus dem Jahr 2017/2018 verfassungswidrig?

Allerdings sieht Stock sehr wohl Handlungsbedarf, was die Regelung des Heilpraktikerrechts betrifft. Den Versuch des Gesetzgebers im Jahr 2017/2018 für mehr Patientenschutz zu sorgen, sieht er als gescheitert. Seiner Auffassung nach sind die Vorschriften, die das Heilpraktikerrecht im Jahr 2017/2018 neu geregelt haben (Leitlinien für die Überprüfung als Voraussetzungen zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem HeilprG) und mit denen sowohl das Heilpraktikergesetz als auch die dazu erlassene Durchführungsverordnung geändert wurden, verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hätte Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz selber bestimmen müssen, was er aber unterlassen hätte. Die Hintergründe zu dieser Einschätzung werden ausführlich im Gutachten erläutert.

Stock stellt klar, dass sich diese Einschätzung auf die Voraussetzungen zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem HeilprG bezieht und nicht auf das gesamte Heilpraktikerrecht. Der Gutachter hält gleichwohl § 7 HeilprG mit dem in § 2 Abs. 1 HeilprG veränderten Inhalt und § 2 Abs. 1 HeilprGDV_1 einschließlich der Leitlinien zur Überprüfung der Heilpraktikeranwärter*innen für nichtig. Seiner Einschätzung nach habe die Neuregelung ihre Ziele verfehlt, für mehr Schutz der Patient*innen zu sorgen und gleichzeitig eine größere Einheitlichkeit und Verbindlichkeit bei der Überprüfung zur Erteilung von Erlaubnissen herzustellen.

Die Behörden seien weiterhin in ihrer Entscheidungsfindung weitestgehend auf sich selbst gestellt. Mangels wirksamer gesetzlicher Regelung bleibe das Heilpraktikerrecht wie bisher der Verwaltung und der Rechtsprechung überlassen.

Gesetzgeber soll Heilpraktkerberuf neu regeln

Der Gutachter empfiehlt dem Gesetzgeber deshalb ausdrücklich, eine Neuregelung des Heilpraktikerrechts vorzunehmen und den Beruf der Heilpraktiker*innen als anderen Heilberuf i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG neu regeln. Eine Abschaffung des Berufsstands oder die Erhaltung des Status Quo kommen seiner Auffassung nach aus den oben beschriebenen Gründen nicht in Frage.

Bundesministerium für Gesundheit will Verbände in Diskussion einbinden

Das BMG schreibt auf seiner Website, dass mit dem Rechtsgutachten jetzt eine Grundlage für die weitere öffentliche und ergebnisoffene Diskussion des Heilpraktikerrechts geschaffen worden sei. Man wolle nun mit den zuständigen Ländern in einen ersten fachlichen Austausch treten und in einem weiteren Schritt die betroffenen Verbände in den Diskussionsprozess einbeziehen.

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Unsere Aufgaben

Uns bleibt nun die Aufgabe, dieses Gutachten genau zu analysieren, da es einige Bewertung in Hinblick auf die Interpretation des Heilkundebegriffs, der Definition von Alternativmedizin, der Zuordnung von speziellen Methoden und Verfahren zu den medizinischen Berufsgruppen oder auf sektorale Heilpraktikererlaubnis gibt, die dringend ausgewertet und diskutiert werden müssen. Darüber hinaus muss das Gutachten von Professor Stock im Kontext der beiden anderen bereits existierenden Gutachten beurteilt werden. Es gilt, mit den politisch Verantwortlichen aktiv im Dialog zu bleiben. Aufgrund unseres guten Kontakts zu Mitgliedern des Gesundheitsausschusses, werden wir gerne bei einer möglichen Modernisierung des Heilpraktikerrechts unsere Expertise einbringen.

Alle Gutachten kommen zu demselben Schluss, dass eine Abschaffung des Berufs nicht in Frage kommt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Beruf erhalten bleiben soll. Das heißt natürlich, dass die Berufsausübung weiterhin so möglich sein muss, wie bisher. Als BDH fordern wir, dass uns die Therapievielfalt und vor allem die heilpraktikertypischen Verfahren einschließlich der invasiven Methoden (z.B. Akupunktur, Injektionen ect.) erhalten bleiben. Dafür werden wir uns aktiv einsetzen. Die Definitionen der Begriffsdefinitionen von „Alternativmedizin“ und „Heilkunde“ von Professor Stock, müssen diskutiert und sicher auch präzisiert werden. Unbedingt berücksichtigt werden muss, dass Heilpraktiker sich komplementär zur Schulmedizin verstehen und nicht als Alternative. Zudem arbeiten wir im Einvernehmen mit Ärzten.

Die Gutachten von Sodan und Stock kommen in Hinblick auf die Ausbildung zum Heilpraktiker zu der Einschätzung, dass der Zugang zum Beruf neu geregelt werden sollte. Wie man also in Zukunft Heilpraktiker*in wird und wie die Ausbildung aussehen kann, ist Verhandlungssache.

Die Kritik von Prof. Stock an den Änderungen des Heilpraktikergesetzes aus dem Jahr 2017/2018, die ja eigentlich den Zugang zum Beruf neu regeln sollten, sehen wir als Schritt in die richtige Richtung, da die Regelung ohnehin nur Überprüfungsinhalte aufgelistet hat, die seit Jahren in Heilpraktikerüberprüfungen ohnehin geprüft wurden. Die Regelungen gingen aus unserer Sicht nicht weit genug.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass es sehr positiv und beruhigend ist, dass alle Gutachten zum dem Ergebnis kommen, dass der Gesetzgeber den Heilpraktikerberuf nicht einfach abschaffen kann. Mit den Gutachten von Professor Sodan, Professor Stock und Dr. Sasse existiert nun zudem eine Basis, auf dessen Grundlage wir die zukünftige Ausprägung des Heilpraktikerberufs gemeinsam mit den anderen Heilpraktiker- und Fachverbänden sowie den politischen Entscheidungsträgern diskutieren können. Heilpraktiker*innen sind kompetent, und dies können wir auch belegen. Daher scheuen wir uns nicht, wenn der Gesetzgeber dies verfassungskonform in ein modernes Recht gießen will. Aber ein solcher Prozess muss unter Einbeziehung der Heilpraktikerverbände und Fachgesellschaften geschehen. Wir tun alles dafür und werden als kompetenter Ansprechpartner für die Politik unsere Expertise im Modernisierungsprozess gerne und engagiert einbringen.