Studie belegt: Spezielle Verhaltenstherapie ist bei Computerspiel- und Internetsucht erfolgreich

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Computerspiel- und Internetsucht sind immer weiter verbreitet. Umso bedeutender sind daher die Erkenntnisse der sogenannten „Short-term Treatment of Internet- and Computer game Addiction“ (STICA)-Studie – der für diese Erkrankung bislang weltweit ersten internationalen, multizentrischen Behandlungsstudie. Die Studienergebnisse belegen die Wirksamkeit einer strukturierten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Kurzzeitbehandlung von 15 Wochen. Das Ziel dieser an der Universitätsmedizin Mainz speziell für diese Suchtform entwickelten formalisierten Behandlungsmethodik besteht darin, die Ursachen für die Verhaltenssucht zu behandeln und einen selbstverantwortlichen Umgang mit dem Medium Internet zu erreichen.

Ein Großteil der Bevölkerung nutzt das Internet täglich für berufliche und/oder private Zwecke. Die dafür verwendete Zeit zu kontrollieren oder einzugrenzen, gelingt jedoch nicht allen und vor allem zunehmend weniger Nutzern. In der Folge können die Betroffenen ein problematisches oder sogar abhängiges Internetnutzungsverhalten entwickeln. Internetsüchtige sind in ihrem Denken und Handeln allein auf ihren Konsum fokussiert, werden unruhig und aggressiv (Entzugserscheinungen), wenn sie länger nicht spielen können und sie vernachlässigen ihre beruflichen Verpflichtungen und privaten Interessen, ihre nicht-virtuellen sozialen Kontakte und ihre körperlichen Bedürfnisse wie Schlaf, Essen und auch die Hygiene.

Ziel der Behandlung ist es, die Persönlichkeit der Patienten zu stärken und sie somit in die Lage zu versetzen, zu kontrollieren, ob und wie lange sie online sind. Zu diesem Zweck hat die Mainzer Ambulanz für Spielsucht bereits vor einigen Jahren eine neuartige, speziell abgestimmte Verhaltenstherapie entwickelt. Die genauen Wirkmechanismen und Effekte dieses speziellen Behandlungsprogramms wurden im Rahmen der Multicenter-Studie ‚Short-term Treatment of Internet- and Computer game Addiction‘ (STICA) untersucht. Die Ergebnisse belegen, dass das Behandlungsprogramm für eine breite Spanne von Internetsüchten wirksam ist. Neben der Computerspielsucht sind dies vor allem Onlinesexsucht und die suchtartige Nutzung sozialer Netzwerke.

Für die gemeinsame Studie wendeten die Forscher folgende Methodik an: Die getestete verhaltenstherapeutische Kurzzeittherapie richtet sich an erwachsene, internetsüchtige Patienten. Die Patienten waren zwischen 17 und 52 (im Mittel 26) Jahre alt, verbrachten zu Beginn der Studie durchschnittlich pro Tag acht Stunden mit der problematischen Internetaktivität und wiesen erhebliche persönliche Einschränkungen und Leidensdruck durch das Suchtverhalten auf. Insgesamt 149 männliche Patienten wurden zufällig der STICA-Studiengruppe oder einer Wartekontrollgruppe zugewiesen. Im Rahmen des viermonatigen, in drei Phasen unterteilten untersuchten STICA-Behandlungsprogramms erhielten die Teilnehmer 15 Gruppen- und acht Einzelsitzungen. Inhalte dessen waren beispielsweise Psychoedukation, Motivationsaufbau, Stressverarbeitungsstrategien, Löschen bzw. Abschwächen alter Verhaltensmuster sowie verhaltenstherapeutische Techniken zur Rückfallprävention. Zu Behandlungsende waren 69 Prozent der Behandlungsgruppe, aber nur 24 Prozent der Kontrollgruppe erfolgreich austherapiert, d.h. sie erfüllten nicht mehr die Suchtkriterien.

Es zeigt sich, dass zwei Bausteine der Therapie besonders relevant für deren Erfolg sind: Zum einen die Phase der Abstinenz und zum anderen die Konfrontation, auch Exposition genannt, mit dem Suchtmittel. Mittels STICA sei es gelungen, die depressiven Symptome bei den Studienteilnehmern erheblich zu verringern, ihre psychische, soziale und berufliche Funktionsfähigkeit deutlich zu verbessern sowie sie zu befähigen, ihre täglichen Onlinezeiten auf ein gesundes Maß zu beschränken. Damit würde das Behandlungsprogramm dazu beitregaen, die aktuell bestehende Versorgungslücke zu schließen und Betroffenen wirksame professionelle Hilfe anzubieten, so die Wissenschaftler.

Verschiedene repräsentative epidemiologische Studien zeigen, dass Internetsucht in der Allgemeinbevölkerung kein seltenes Phänomen ist: die Prävalenzschätzungen reichen von 0,5 bis ein Prozent in der Allgemeinbevölkerung und höheren Raten in Hochrisikopopulationen. Wie individuell und gesellschaftlich bedeutend diese Erkrankung ist, hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkannt und im Mai 2019 die Computerspielsucht als offizielle „Gaming Disorder“ Krankheit anerkannt.

Originalpublikation

Klaus Wölfling, PhD1; Kai W. Müller, PhD1; Michael Dreier, Dipl-Soz1; et al.: Efficacy of Short-term Treatment of Internet and Computer Game AddictionA Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry. 2019; doi: 10.1001/jamapsychiatry.2019.1676