Übermäßige Blutgerinnung gefährdet Patienten mit COVID-19

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SARS-CoV-2 schädigt nicht nur die Lungen, sondern auch andere Organe wie Herz und Nieren. Die Gründe sind noch nicht genau bekannt. Professor Dr. med. Francesco Violi von der Universität La Sapienza in Rom vermutet, dass Störungen des Gerinnungssystems bei der Erkrankung von zentraler Bedeutung sind. Eine vermehrte Blutgerinnung könnte erklären, warum viele Patienten einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden, die durch Blutgerinnsel in den Herzkranzgefäßen oder den Hirnarterien verursacht werden.

Analyse diverser chinesischer Studien

Der Internist hat in neun Studien, die von chinesischen Ärzten seit Beginn der Epidemie veröffentlicht wurden, nach Angaben zu Laborwerten der Blutgerinnung gesucht. Tatsächlich wiesen viele Patienten mit COVID-19 bei verschiedenen Laborwerten Veränderungen auf. Vor allem der Anstieg im D-Dimer bei 14 bis 46 Prozent der Patienten sei auffällig, so Violi. Das Protein wird immer dann vermehrt gebildet, wenn sich in den Blutgefäßen bereits Gerinnsel gebildet haben. Ein deutlicher Anstieg des D-Dimer ist ein Warnzeichen für eine Thrombose. Der Grund für die Thrombosebildung könnte in einer übermäßigen Aktivierung der Gerinnungsfaktoren und der Blutplättchen liegen.

Verlängerung der Prothrombinzeit beobachtet

Die von Violi angeführten chinesischen Studien dokumentieren außerdem eine Verlängerung der Prothrombinzeit bei zwei bis elf Prozent der Patienten und der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit bei sechs bis 26 Prozent der Patienten. Die Zahl der Blutplättchen war bei fünf bis 18 Prozent der Patienten vermindert. Diese Befunde legen eine Hyperkoagulabilität, eine erhöhte Gerinnbarkeit des Blutes mit erhöhter Neigung zur Thrombenbildung in den Gefäßen, als Ursache nahe.

Störung der Blutgerinnung abhängig von Schwere der Erkrankung

Die Störungen der Blutgerinnung waren umso ausgeprägter, je schwerer der Verlauf von COVID-19 war und könnte das Sterberisiko der Patienten erhöhen. Violi regt eine Behandlung mit niedermolekularem Heparin an, das die Blutgerinnung vermindert. Acetylsalicylsäure („Aspirin“) könnte das Aneinanderhaften der Blutplättchen hemmen. Ausschlaggebend für den Einsatz der Medikamente könnte der Schweregrad der Erkrankung und ein Anstieg des D-Dimer-Werts sein.

Folge einer allgemeinen Entzündungsreaktion?

Der international anerkannte Experte hat auch eine Vermutung, wieso es bei COVID-19 häufig zu Gerinnungsstörungen kommt. Eine vermehrte Blutgerinnung werde auch bei schweren Pneumonien anderer Ursache beobachtet, schreibt der Mediziner. Sie ist dort Folge einer allgemeinen Entzündungsreaktion im Körper. Dabei komme es in den Zellen zu einer Aktivierung des Proteins Nox2, das „Sauerstoffradikale“ bildet. Die „Sauerstoffradikale“ führen laut Violi nicht nur zu einer Aktivierung der Blutgerinnung und Thrombozyten, sondern verursachten auch eine Engstellung der Blutgefäße (Vasokonstriktion). Dadurch würde die Blutversorgung in den Organen weiter einschränkt. Alle drei Faktoren könnten zu einem tödlichen Verlauf von COVID-19 beitragen.

Quelle

F. Violi et al.: Hypercoagulation and Antithrombotic Treatment in Coronavirus 2019: A New Challenge. Thrombosis and Haemostasis 2020; online erschienen am 29.4.2020

Neben Professor Violi weisen auch andere Wissenschaftler in der Thieme Fachzeitschrift “Thrombosis and Haemostasis“ in verschiedenen Arbeiten auf Blutgerinnungsstörungen von COVID-19-Patienten hin und empfehlen eine entsprechende Behandlung der Betroffenen.

M. Cattaneo et al.: Pulmonary Embolismor Pulmonary Thrombosisin COVID-19? Is the Recommendation to Use HighDose Heparin for Thromboprophylaxis Justified? Thrombosis and Haemostasis 2020; online erschienen als “Letter to the Editor” am 29.4.2020

L. Spiezia et al.: COVID-19-Related Severe Hypercoagulability in Patients Admitted to Intensive Care Unit for Acute Respiratory Failure. Thrombosis and Haemostasis 2020; online erschienen am 21.4.2020

Z. Zhai et al.: Prevention and Treatment of Venous Thromboembolism Associated with Coronavirus Disease 2019 Infection: A Consensus Statement before Guidelines
Thrombosis and Haemostasis 2020; online erschienen am 21.4.2020