Urteil des Oberverwaltungsgerichts zur Eigenbluttherapie durch Heilpraktiker

26..04.2021 - Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Münster zur Eigenbluttherapie durch Heilpraktiker*innen und weicht damit von Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts Osnabrück ab.

Gesetzesparagraph
© vege / fotolia.com

Am 23.04.2021 standen vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) in Münster drei Berufungsverfahren (Az. 9 A 4073/18; 9 A 4108/18; 9 A 4109/18) von Heilpraktikern im Zusammenhang mit unterschiedlichen Formen der Eigenbluttherapie zur Verhandlung. Das OVG hat die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Münster bestätigt und die Berufungen der betroffenen Heilpraktikerinnen bzw. Heilpraktiker zurückgewiesen.

Begründet hat der 9. Senat seine Entscheidungen damit, dass letztendlich jede Entnahme von Blut, die zur Herstellung von Arzneimitteln bestimmt ist, eine Spende im Sinne des Transfusionsgesetzes (TFG) darstellt. Diese Entnahme dürfe nur durch einen Arzt oder müsse zumindest unter dessen Verantwortung erfolgen. Das TFG unterscheide dabei nicht zwischen Fremd- und Eigenblut. Der Sinn und Zweck des Transfusionsgesetzes, für eine sichere Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen zu sorgen, greife auch bei Eigenblutspenden, und zwar unabhängig davon, ob nur eine geringe Menge entnommen wird. Die Heilpraktiker könnten sich auch nicht auf die Ausnahmeregelung in § 28 TFG berufen, denn es handele sich nicht um „homöopathische Eigenblutprodukte“, zu deren Herstellung Blut entnommen wird.

Das OVG ist der Auffassung, dass der Begriff „homöopathisch“ ausschließlich unter Heranziehung des Arzneimittelgesetzes (AMG) zu bestimmen sei und deshalb voraussetze, dass das Eigenblutprodukt „nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt“ wird (§ 4 Abs. 26 AMG).

Hier weicht das OVG sowohl von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (Urt. v. 17.01.2012; Az: VI ZR 336/10) als auch des Verwaltungsgerichts Osnabrück (Urt. v. 04.08.2020, Az: 3 A 44/19) entscheidend ab.

Der BGH hat die Anwendung von Eigenblut mit dem Zusatz von Homöopathika als „gebräuchliche Form der Eigenbluttherapie“ eingestuft und im Ergebnis nicht ausschließlich auf die in § 4 Abs. 26 AMG aufgeführten Arzneibücher abgestellt, sondern sein Ergebnis auf allgemeinere Quellen (z.B. den Pschyrembel) gestützt.

Das VG Osnabrück hat in seiner Entscheidung zudem darauf hingewiesen, dass der Begriff des „homöopathischen Arzneimittels“ bei Anwendung im Rahmen des § 28 TFG einer „extensiven Auslegung“ bedarf, denn ein strenges Festhalten am Wortlaut des § 4 Abs. 26 AMG werde den Besonderheiten der Eigenblutbehandlung grundsätzlich nicht gerecht und entspreche auch nicht der Intention des Gesetzgebers. Es käme letztendlich entscheidend darauf an, ob „mit dem Prozess aus Entnahme und Reinjektion eine homöopathische Behandlung“ vorliege. Dies sei dann der Fall, wenn „das Blut als entsprechender Reiz für das Immunsystem eingesetzt“ werde.

Nach Auffassung des OVG ist die Ausnahmeregelung des § 28 TFG hingegen eng auszulegen, da „das Transfusionsgesetz dem Gesundheitsschutz auch der spendenden Personen“ diene.
Wo hier ein Sicherheitsgewinn im Vergleich zur „Entnahme einer geringfügigen Menge Blut zu diagnostischen Zwecken“, die auch Heilpraktikern unverändert erlaubt ist, sein soll, ist nicht ansatzweise nachzuvollziehen.

Soweit auch die Eigenblutentnahme vom TFG erfasst ist, kann es nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes primär nur um die perioperative Eigenblutspende gehen, wobei mit Blick auf die Untersuchungspflicht gem. § 5 Abs. 3 TFG sogar umstritten ist, ob diese unter den Begriff der Spende im Sinne von § 2 TFG fällt (vgl. Tag, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, § 2 TFG Rn. 3).

Folgt man der Rechtsauffassung des OVG wäre auch jede Arztpraxis, die die streitgegenständlichen Formen der Eigenbluttherapie durchführt, letztendlich eine „Spendeeinrichtung“, die die strengen Vorgaben des TFG, wie etwa das Vorhandensein einer ausreichenden personellen, baulichen, räumlichen und technischen Ausstattung (§ 4 Nr. 1 TFG), die Tauglichkeit der zur Blutspende zugelassenen Person (§ 5 Abs. 1 TFG) sowie spezielle Dokumentationspflichten (§ 11 TFG, § 14 TFG), einhalten muss.

Des Weiteren verkennt der 9. Senat offenbar, dass sogenannte dynamische Verweisungen auf Normen anderer Kompetenzträger im Zusammenhang mit Eingriffen in die Berufsfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig sind (BVerfG NJW 1978, 1475). Hierum handelt es sich nämlich bei der Regelung in § 4 Abs. 26 AMG, da es für die Zulässigkeit „nur“ darauf ankommen soll, dass die jeweilige Form der Eigenbluttherapie in irgendeinem „offiziell gebräuchlichen“ Arzneibuch der insgesamt 27 EU-Staaten monographiert ist. Dies unabhängig davon, von wem und auf welchem Wege diese Pharmakopöen überhaupt verfasst werden.

Insgesamt überzeugen die Entscheidungen des OVG nicht, auch im Hinblick darauf, dass die Revision in den Verfahren nicht zugelassen wurde. Die Rechtssache hat unstreitig „grundsätzliche Bedeutung“ und das ist ein anerkannter Revisionsgrund.

Es steht den betroffenen Heilpraktikern nun offen, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen, über die dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden wird.

Hier geht es zur Pressemitteilung des OLG.