Geringe Muskelmasse bei Typ-2-Diabetes – ein unterschätztes Risiko

27.11.2023 - Etwa 80 Prozent der neu diagnostizierten Menschen mit Typ-2-Diabetes sind übergewichtig oder sogar adipös. Im Vergleich zum Körperfett wurde bisher der Einfluss einer zu geringen Muskelmasse und Muskelkraft für die Stoffwechseleinstellung und den Verlauf der Patientinnen und Patienten wenig beachtet. Drauf macht Professorin Anja Bosy-Westphal auf der Pressekonferenz im Rahmen der 17. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) aufmerksam.

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Ein übermäßiger Verlust an Skelettmuskelmasse und -funktion mit steigendem Alter wird Sarkopenie genannt. Eine Sarkopenie wird heute sowohl als Risikofaktor für die Entstehung des Typ-2-Diabetes
als auch als Folge dieser Erkrankung angesehen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist die „Muskelgesundheit“ (charakterisiert anhand Muskelmasse, -kraft, -qualität und -funktion) durch die Insulinresistenz, eine schlechte Blutzuckereinstellung, Entzündung und erhöhten oxidativen Stress beeinträchtigt. Eine geringere Glukoseverwertung kann dabei aufgrund der geringen Masse der Muskulatur sowie durch deren qualitative Veränderungen, durch zum Beispiel eine Ansammlung von inter- und intramuskulärem Fettgewebe, entstehen.

Das Problem „Sarkopenie“ erfordere eine differenzierte Diagnostik von Muskelmasse und Muskelkraft, um betroffene Patienten zu identifizieren und die Behandlung entsprechend anzupassen, so Professor Dr. oec. troph. Dr. med. Anja Bosy-Westphal, Tagungspräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), Prodekanin an der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Rahmen der Pressekonferenz.

  • Die medikamentöse Therapie bei Typ-2-Diabetes beeinflusse den Erhalt der Muskelmasse, wobei sich Glinide und Sulfonylharnstoffe negativ auswirken und demgegenüber Insulin, GLP-1-Analoga und DPP-IV-Inhibitoren vor dem Verlust an Muskelmasse schützen. Vielversprechend sei das neue Medikament Bimagrumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den Typ-2-Activinrezeptor auf Muskel- und Fettzellen. Bimagrumab führte in einer Phase-2-Studie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes zu einem Aufbau der Skelettmuskulatur bei gleichzeitiger Reduktion des Körperfettanteils um 20 Prozent.
  • Verschiedene bariatrisch-chirurgische Verfahren zur Behandlung einer ausgeprägten Adipositas wirken sich unterschiedlich auf den die Gewichtsabnahme begleitenden Verlust der Muskelmasse aus und sollten daher in der Therapie von Patienten mit Adipositas und Typ-2-Diabetes gezielt ausgewählt werden.
  • Verschiedene Diabetessubtypen haben ein unterschiedliches Risiko für Komplikationen des Diabetes und unterscheiden sich auch im Hinblick auf ihren Ernährungszustand. Sie müssen im Hinblick auf Unterschiede im Erhalt der Muskelmasse noch weiter untersucht werden.
  • Letztlich sind auch Modifikationen des Lebensstils (Ernährung und Bewegung) wichtig, um die Mobilität und die Stoffwechselgesundheit von Personen mit Typ-2-Diabetes und Sarkopenie zu verbessern und zu erhalten.

Quelle: Kongress-Pressekonferenz im Rahmen der 17. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM)