Insulin kann die innere Uhr im Fettgewebe direkt beeinflussen

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Von Kopf bis Fuß durchgetaktet

Unsere innere Uhr steuert nahezu alle physiologischen Prozesse, beispielsweise den Stoffwechsel, den Blutdruck und die Körpertemperatur. Neben der zentralen inneren Uhr, die im suprachiasmatischen Nucleus des Hypothalamus sitzt, gibt es viele untergeordnete Uhren, die in jedem Organ, Gewebe und jeder Zelle des Körpers zu finden sind. Die zirkadianen Rhythmen basieren auf einem engen Zusammenspiel von sogenannten Clock-Genen, die über miteinander verschachtelte Rückkopplungsschleifen einen 24-Stunden-Rhythmus generieren. Neue Studien zeigen, dass die Essenszeiten und die Nahrungskomposition den zirkadianen Rhythmus verschiedener Gewebe verändern können. Metabolisch aktive, insulinsensitive Gewebe wie Leber und Fettgewebe sind davon besonders betroffen. Zudem steigern Essenszeiten, die nicht im Einklang mit der inneren Uhr stehen, das Risiko für Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen wie Metabolisches Syndrom und Typ-2-Diabetes. Über die zugrundeliegenden Mechanismen ist bislang jedoch wenig bekannt.

Insulin verändert Gen-Expression

Für die aktuelle Studie untersuchte das Forschungsteam, welchen Einfluss der erhöhte Insulinspiegel nach einer Mahlzeit auf den zirkadianen Rhythmus des Fettgewebes hat und welche molekularen Mechanismen dabei eine Rolle spielen. Dafür analysierten sie Fettgewebsproben von 17 adipösen, nicht-diabetischen Männern, die vor und vier Stunden nach dem sogenannten hyperinsulinämischen-euglykämischen Clamp entnommen worden sind. Diese Methode gilt als Goldstandard zur Bestimmung der Insulinsensitivität. Dabei wird einer Person eine definierte Menge Insulin infundiert und schrittweise Glukose zugeführt, bis ein normaler Nüchternblutzucker erreicht ist. Je mehr Glukose man dafür verabreichen muss, desto höher ist die Insulinsensitivität der Person. Je weniger Glukose nötig ist, desto stärker ist die Insulinresistenz. Die Methode sei für ihre Fragestellung ideal, weil sie so die reinen Effekte von Insulin auf das Fettgewebe des Menschen in vivo untersuchen konnten, erklären die Wissenschaftler.

Die Forscher isolierten das genetische Material aus den Fettgewebsproben und bestimmten die Aktivität verschiedener Gene. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die statt Insulin eine Kochsalzlösung erhalten hatte, zeigte sich eine deutlich veränderte Expression der Clock-Gene, was auf eine insulinabhängige Regulation der inneren Uhr schließen lässt.

Zirkadiane Rhythmen sichtbar gemacht

Zur Aufklärung der molekularen Mechanismen, die für diese Regulation verantwortlich sind, nutzten die Forschenden menschliche und tierische Fettzellen, die in Kultur genetisch transformiert wurden oder aus einem genetisch modifizierten Mausmodell isoliert wurden. In diese Zellen wurde ein Luciferase-Gen eingesetzt und an einen Abschnitt des Per2-Gens gekoppelt. Per2 ist eines der Schlüsselgene des molekularen Uhrwerks. Dank der Luciferase erzeugen die Zellen Licht in Abhängigkeit von der Per2-Aktivität, was den Wissenschaftlern ermöglichte, die zirkadianen Rhythmen von Per2 in Echtzeit über mehrere Tage zu beobachten. Die Forscher stellten fest, dass Insulin eine schnelle und vorübergehende Aktivitätssteigerung von Per2 bewirkt und somit den gesamten Clock-Rhythmus verändert.

Entscheidende Gen-Abschnitte identifiziert

In molekularbiologischen Versuchen identifizierten die Forschenden dann diejenigen Abschnitte des Per2-Gens, welche für den Insulineffekt entscheidend sind. Sie kürzten Stück für Stück den Promotor – jenen DNA-Abschnitt, der die Expression eines Gens steuert – und stellten fest, dass der Bereich zwischen 64 und 43 Basenpaaren eine wesentliche Rolle spielt. Die Ergebnisse zeigen erstmals, auf welche Weise ungünstige Essenszeiten unsere zirkadianen Rhythmen stören und negative Stoffwechselveränderungen hervorrufen können. Das könne auch erklären, warum sich nächtliches Essen besonders ungünstig auf den Stoffwechsel auswirkt, so die Wissenschaftler. Die Forschenden gehen davon aus, dass die Mechanismen, die zur essensbedingten Umstellung der inneren Uhr führen, noch komplexer sind und weitere Hormone und Metabolite daran beteiligt sind. Das gilt es in zukünftigen Studien zu überprüfen.

Originalpublikation

Tuvia N, Pivovarova-Ramich O, Murahovschi V et al. Insulin directly regulates the circadian clock in adipose tissue. Diabetes 2021; Jul 5;db200910. doi: 10.2337/db20-0910. Online ahead of print.

Quelle

Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)