Sarkopene Adipositas

22.05.2023 - Aufgrund von Bewegungsmangel kann es bei adipösen Menschen zu einem schleichenden Muskelschwund kommen, der unter dem Fettmantel verborgen und damit unentdeckt bleibt. Ein internationales Experten-Panel hat das neue Krankheitsbild der sogenannten „sarkopenen Adipositas“ nun definiert und Kriterien zur Diagnose erarbeitet.

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Muskelschwund aufgrund von Bewegungsmangel sei eine Krankheit, die bislang vor allem bei betagten Menschen, bei chronisch Kranken und als Folge längerer Phasen der Unbeweglichkeit beobachtet wurde. Neu sei, dass auch junge Menschen an Muskelschwund leiden können, wenn sie entsprechendes Körpergewicht auf die Waage bringen. Das Gefährliche daran: Bei stark bis krankhaft übergewichtigen Menschen verbirgt die Decke aus Körperfett den gefährlichen Muskelverlust.

Zuerst sei der Zusammenhang zwischen Adipositas und Muskelschwund durch eine Häufung von Einzelbeobachtungen aufgefallen. Um den Verdacht zu erhärten, entschlossen sich zwei Fachgesellschaften – die European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) und die European Association for the Study of Obesity (EASO) – das Thema mit einer eigens einberufenen Expertenrunde zu klären.

In ihrem Auftrag führten über 30 Wissenschaftler*innen die Expertise aus 16 Ländern Europas und aus Übersee zusammen. Um die sogenannte „sarkopene Adipositas“ zu diagnostizieren, empfehlen sie einen Methodenmix. Dabei werden sowohl die Anteile von Fett- und Muskelmasse im Körper bestimmt als auch die Muskelfunktion gemessen.

Um die Körperzusammensetzung zu bestimmen, biete sich z.B. die Bioimpedanzanalyse an: Das Analysegerät leite einen schwachen Strom durch den Körper der Patient*innen. Aus dem elektrischen Widerstand lasse sich dann die Körperzusammensetzung berechnen. Alternativ könnten auch Messungen aus der Magnetresonanztomographie („MRT-Röhre“) verwendet werden.

Um die Muskelfunktion zu testen, gäbe es eine Reihe standardisierter Tests. Dabei werde z.B. gestoppt, wie oft Patient*innen in einer Minute aufstehen und sich wieder hinsetzen könnten oder welche Gehstrecke sie in sechs Minuten zurücklegten.

Von der sarkopenen Adipositas sprechen die Experten dann, wenn sowohl der Anteil von Muskelmasse zu niedrig als auch die Muskelfunktion bereits beeinträchtigt ist. Bei der endgültigen Diagnose würden dann Faktoren wie Alter, Geschlecht oder auch die ethnische Zugehörigkeit berücksichtigt.

Proteinreiche Kost als Hoffnungsträger bei den Therapieformen

Wie die sarkopene Adipositas behandelt werden könne, ist derzeit noch Gegenstand der Forschung, erste Ergebnisse zeichneten sich jedoch bereits ab. Am aussichtsreichsten scheine die Kombination aus Krafttraining und proteinreicher Ernährung zu sein. Wichtig sei, darauf zu achten, dass die Muskelmasse bei der Gewichtsreduktion möglichst unangetastet bleibt bzw. wieder aufgebaut wird, so die Experten-Runde.

Noch weitreichender seien die Folgen der neuen Erkenntnisse für chirurgische Maßnahmen gegen krankhaftes Übergewicht, bei denen der Magen verkleinert oder der Darm verkürzt werde. In solchen Fällen sei eine viel intensivere Nachsorge nötig. Denn gerade weil Proteine stark sättigten, sei es für Patient*innen mit verkleinertem Magen sehr schwierig, ausreichende Mengen zu sich zu nehmen, weil sich sehr schnell ein Völlegefühl oder Übelkeit einstelle.

Originalpublikation

Donini LM et al. Definition and Diagnostic Criteria for Sarcopenic Obesity: ESPEN and EASO Consensus Statement. Obes Facts (2022) 15 (3): 321–335.