Übergewicht als Risikofaktor für Darmkrebs bislang unterschätzt

08.05.2023 – Wissenschaftler*innen haben herausgefunden, dass Übergewicht als Risikofaktor für Darmkrebs offensichtlich bisher in seiner Bedeutung unterschätzt wurde, denn der Gewichtsverlust vor der Diagnose verschleiert die Zusammenhänge zwischen Übergewicht und der Krebserkrankung.

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Übergewicht ist ein bekannter Risikofaktor für Darmkrebs. Wissenschaftler*innen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben nun nachgewiesen, dass dieser Zusammenhang vermutlich bislang erheblich unterschätzt wurde. Der Grund: Viele Menschen verlieren in den Jahren vor einer Darmkrebs-Diagnose unbeabsichtigt an Gewicht. Wird in Studien allein das Körpergewicht zum Zeitpunkt der Diagnose berücksichtigt, so verschleiert dies den tatsächlichen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Darmkrebsrisiko. Darüber hinaus zeigt die aktuelle Untersuchung, dass unbeabsichtigter Gewichtsverlust ein früher Hinweis auf eine Darmkrebserkrankung sein kann.

Übergewicht ist ein Risikofaktor für eine ganze Reihe an Krebserkrankungen. Besonders deutlich ist dieser Zusammenhang beispielsweise bei Gebärmutterkrebs, Nierenkrebs und auch bei Darmkrebs. Nach bisherigen Schätzungen haben adipöse Menschen ein um etwa ein Drittel höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, als normalgewichtige Personen.

Allerdings wurde bei früheren Untersuchungen bislang nicht berücksichtigt, dass viele Betroffene in den Jahren vor ihrer Darmkrebsdiagnose an Gewicht verlieren. Das hat dazu geführt, dass der Risikobeitrag von Übergewicht in vielen Studien deutlich unterschätzt worden ist, so die Forschenden vom DKFZ.

Um die Größenordnung dieser Verzerrung einzuschätzen, werteten die Forscherinnen und Forscher die Daten aus der DACHS-Studie aus*. Die fast 12.000 Studienteilnehmer, die in die aktuelle Auswertung eingeschlossen waren, hatten zum Diagnosezeitpunkt Angaben zu ihrem Körpergewicht gemacht und darüber hinaus auch ihr Gewicht in den Jahren ihrer früheren runden Geburtstage angegeben.

Unbeabsichtigter Gewichtsverlust vor Diagnose

Anhand des Körpergewichts um den Zeitpunkt der Diagnose ließ sich kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Darmkrebsrisiken festmachen. Ganz anders sah es jedoch aus, wenn die Forscher das frühere Körpergewicht der Teilnehmer betrachteten: Hier zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen Übergewicht und der Wahrscheinlichkeit an Darmkrebs zu erkranken, der 8 bis 10 Jahre vor der Diagnose am stärksten ausgeprägt war. Studienteilnehmer*innen, die in diesem Zeitraum ein hohes Übergewicht (Body Mass Index von ≥30 kg/m2) auf die Waage brachten, erkrankten doppelt so häufig wie Normalgewichtige an Darmkrebs. Hätten die Heidelberger Wissenschaftler*innen, wie in vielen früheren Studien geschehen, nur auf das bei Studieneintritt gemessene Gewicht geschaut, so hätten sie ihren Angaben zufolge den Zusammenhang zwischen Übergewicht und erhöhtem Darmkrebsrisiko völlig übersehen.

Zwei Kilos können schon einen Hinweis liefern

Bei ihren Analysen konnte das Team noch einen weiteren Trend aufzeigen: Auffallend viele der von Darmkrebs betroffenen Studienteilnehmer hatten vor der Diagnose unbeabsichtigt an Gewicht verloren. Ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von zwei Kilo oder mehr innerhalb von zwei Jahren vor der Diagnose (bzw. vor dem Studieneintritt) kam bei Krebsbetroffenen 7,5 Mal häufiger vor als bei den Personen aus der Kontrollgruppe. In diesem Zeitraum sei der Krebs schon da, aber noch nicht durch Symptome aufgefallen. Hausärzte und Therapeuten sollten laut der Forschenden ihre Patient*innen daher regelmäßig nach unbeabsichtigtem Gewichtsverlust fragen. Unbeabsichtigter Gewichtsverlust könnte auch ein früher Hinweis auf andere Krebsarten oder andere Erkrankungen sein und sollte sorgfältig abgeklärt werden.

* DACHS steht für: „Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening“ und ist eine der weltweit größten Fall-Kontroll-Studien zu Darmkrebs, die sie seit dem Jahr 2003 am Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführt wird. Zwischen 2003 und 2020 nahmen insgesamt 6.602 Darmkrebs-Betroffen sowie 7.950 Menschen ohne Darmkrebs teil.

Originalpublikation

Marko Mandic, Fatemeh Safizadeh, Tobias Niedermaier, Michael Hoffmeister, Hermann Brenner: Association of Overweight, Obesity, and Recent Weight Loss With Colorectal Cancer Risk.
JAMA Network Open. 2023, doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.9556

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum, Mai 2023