Weizenhaltige Ernährung ist möglicherweise Risikofaktor für Multiple Sklerose

22.01.2024 - Ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Mainz hat herausgefunden, dass eine weizenhaltige Ernährung die Schwere einer Multiple Sklerose-Erkrankung (MS) möglicherweise fördern kann. Dies bewirkten die Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI), natürliche Proteine im Weizen, während die ebenfalls im Weizen enthaltenen Glutenproteine die entzündlichen Reaktionen nicht beeinflussten.

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Von MS sind weltweit rund 2,8 Millionen Menschen betroffen, davon mehr als 250.000 in Deutschland. Die Prävalenz nimmt deutlich zu, vor allem bei jungen Erwachsenen und Frauen. Ausgelöst wird die Erkrankung durch eine Kombination verschiedener Faktoren. Neben genetischen Faktoren können auch Umweltfaktoren den Verlauf der chronisch-entzündlichen Erkrankung beeinflussen. Auch die Ernährung wird als Einflussfaktor diskutiert.

Bisher gab es jedoch keine eindeutigen Belege, dass eine weizenhaltige Ernährung entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems beeinflussen kann. Die Wissenschaftler konnten nun sowohl im Tiermodell als auch in einer klinischen Pilotstudie Hinweise liefern, dass bestimmte Weizenproteine die Schwere der MS fördern können. Dabei spielen die sogenannten ATI-Proteine eine wesentlich größere Rolle als die Glutenproteine.

Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) sind natürliche Proteine, die in Getreiden wie Weizen, Gerste und Roggen vorkommen. Die ATI-Proteine werden kaum verdaut und verursachen leichte Entzündungsreaktionen im Darm. Dabei wirken sie nicht nur im Darm: Durch ATI aktivierte Entzündungszellen und Botenstoffe können aus dem Darm auch über den Blutkreislauf in andere Teile des Körpers transportiert werden. Wie die Wissenschaftler*innen herausgefunden haben, fördern die ATI-Proteine damit bestehende Entzündungsprozesse in Organen wie der Leber oder der Lunge, und, das ist die Neuigkeit, sogar im zentralen Nervensystem. Dadurch können die ATI-Proteine die Erkrankungssymptome einer MS verstärken.

Die initiale Untersuchung des Forschungsteams im Tiermodell (1) ergab, dass sich bei einer Ernährung, die 25 Prozent Weizen enthält, die Symptome der MS stark verschlechtert haben im Vergleich zur gleichen, aber weizenfreie Ernährung. Diese Ergebnisse ließen sich auch mit einer minimalen Menge der ATI-Proteine (0,15 Prozent des Futtergewichts), nicht aber mit einer großen Menge an Glutenproteinen (5 Prozent des Futtergewichts) reproduzieren.

Die Ergebnisse aus dem Tiermodell konnten das Forschungsteam dann auch in einer klinischen Pilotstudie (2) bestätigen. An dieser Studie nahmen Patient*innen mit mittelgradig schwerer, gering aktiver MS teil. Eine Studiengruppe hielt sich drei Monate lang an eine weizenreduzierte Diät, während die andere Gruppe ihre weizenhaltige Ernährung weiterführte. Nach den drei Monaten wechselten die Gruppen für weitere drei Monate zur jeweils anderen Diät. Die MS-Betroffenen berichteten während der weizenfreien Diät von signifikant weniger Schmerzen. Ebenso konnten weniger entzündliche Immunzellen in ihrem Blut gemessen werden.

Die Forschungsgruppe will nun in weiteren Studien untersuchen, inwieweit eine weizenfreie Ernährung medikamentöse Therapien der MS verbessern kann.

Originalpublikationen
  1. Zevallos VF, Yogev N, Hauptmann J et al. Dietary wheat amylase trypsin inhibitors exacerbate CNS inflammation in experimental multiple sclerosis. Gut. 2023 Dec 7; 73(1): 92-104.  doi.org/10.1136/gutjnl-2023-329562
  2. Engel L, Klotz T, Wirth AK et al. Attenuation of immune activation in patients with multiple sclerosis on a wheat-reduced diet: a pilot crossover trial. Ther Adv Neurol Disord. 2023 Jun 25;16:17562864231170928.  doi.org/10.1177/17562864231170928 

Quelle: Universitätsmedizin Mainz