Wie lässt sich in Zukunft mehr nach inneren Uhren leben?

02.04.2024 - Im Projekt CIRCADIA untersuchten Wissenschaftler*innen, wie sich Technologien und ein entstrukturierter Alltag auf die zirkadianen Rhythmen, also die inneren Uhren der Menschen, auswirken könnten. Zu den Empfehlungen der Studie gehören die Abschaffung der Uhrumstellung im März, die Anpassung der Schulzeiten und mehr Wertschätzung des Tageslichts.

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Jedesmal zur Zeitumstellung beginnen Diskussionen über das Für und Wider sowie die Folgen für die Bevölkerung. Etliche Auswirkungen entstehen dadurch, dass viele Vorgänge im menschlichen Körper rhythmisch organisiert sind, zum Beispiel Herzschlag und Atmung sowie der Wechsel zwischen Wachsein und Schlaf. Abweichungen von diesen Rhythmen – etwa durch zu kurze Schlafphasen, Nachtarbeit, zu wenig Tageslicht, Licht zur falschen Zeit oder die Uhrumstellung im März und Oktober – können sogar die Gesundheit verschlechtern.

Im Projekt CIRCADIA (Circadiane Rhythmen und Technologie – Desynchronisation im Alltag) haben das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI sowie die FOM Hochschule untersucht, wie Technologien den Alltag und seine Strukturen verändert haben und welche Auswirkungen dies für die Gesundheit haben kann.

Wie lassen sich die zirkadianen Rhythmen unterstützen?

Nachdem die Wissenschaftler*innen fast 2.000 Menschen zu ihren täglichen Gewohnheiten, zum Beispiel der Bildschirmnutzung, befragt haben, empfehlen sie eine wesentlich breitere Aufklärung zum Thema zirkadiane Rhythmen – inklusive Forschung im täglichen Leben und nicht nur im Schlaflabor.

Es gibt viele Möglichkeiten, sowohl den einzelnen Menschen mit ihren unterschiedlichen Chronotypen als auch der gesamten Gesellschaft besseren und mehr Schlaf zu ermöglichen – und damit mehr Ausgeglichenheit, bessere Leistungsfähigkeit und größeres Wohlbefinden.

Drei relativ kurzfristig umsetzbare Maßnahmen sind:

  • Abschaffung der Sommerzeit: Aus chronobiologischer Sicht passt in Mitteleuropa die Standardnormalzeit ganzjährig am besten, damit die Menschen ausreichend Schlaf bekommen. Die Umstellung der Uhren im März und Oktober bringt die Schlafphasen und die zirkadianen Rhythmen aller Menschen, besonders aber der späten Chronotypen, durcheinander.
  • Späterer Schulbeginn für Teenager: Ob Menschen frühe, mittlere oder späte Chronotypen sind, ist angeboren, aber wie genau ihre inneren Uhren ticken, verändert sich im Laufe des Lebens mehrmals. Im Teenageralter sind Menschen im Durchschnitt später in ihrer Biologie als zu anderen Zeiten in ihrem Leben. Deshalb haben viele von ihnen bei einem Schulbeginn um 8 Uhr morgens ein biologisch begründetes Leistungstief – die meisten sind nach ihrer inneren Uhr noch mitten in der Nacht. Im Laufe des Tages verbessert sich die Leistungsfähigkeit jedoch. Morgens um 8 Uhr ist von vielen Teenagern daher kaum konzentriertes Lernen zu erwarten, erbrachte Schulnoten sind zwischen den unterschiedlichen Chronotypen schlecht vergleichbar.
  • Tageslicht sowie ausreichenden und qualitativ guten Schlaf wertschätzen: Ausreichend zu schlafen und sich wieder mehr draußen zu bewegen – insbesondere am Morgen, beispielweise durch Sport oder Schulunterricht draußen – ist eine grundsätzliche Empfehlung zur Unterstützung zirkadianer Rhythmen und sollte durch Kampagnen unterstützt werden. Zudem sind Innenräume, zum Beispiel Arbeitsplätze, häufig unzureichend beleuchtet. Da trotz technischer Fortschritte das Tageslicht nicht nachgeahmt werden kann, sollten zumindest architektonische Lösungen dafür sorgen, dass mehr Tageslicht in Gebäude gelangt.
Balance zwischen eigenem Chronotyp und gesellschaftlichen Anforderungen

Diese Maßnahmen wären erste Schritte in eine chronobiologisch aufgeklärte Gesellschaft. Darunter verstehen die Forschenden eine Gesellschaft, die im Alltag bewusst mit den zirkadianen Rhythmen umgeht: Menschen kennen ihren Chronotyp und strukturieren ihren Alltag entsprechend, Arbeitgeber*innen und Bildungseinrichtungen bieten auf verschiedene Typen abgestimmte Arbeits- und Lernzeiten an, die prinzipiell gesundheitsschädliche Nachtarbeit findet nur in systemrelevanten Bereichen wie Sicherheit und Medizin statt.

In einer solchen Gesellschaft ist „viel Tageslicht für alle“ ein zentrales Gesundheitsthema: Freizeitaktivitäten finden vor allem draußen statt, auch die meisten Begegnungsräume sind dort, bei Neubauten wird die Nutzung von Tageslicht stark einbezogen. So soll die Zeit reduziert werden, die Menschen in Innenräumen und vor Bildschirmen verbringen.

Die Originalpublikation finden Sie hier.